Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Den größten Teil der vergangenen Jahre haben wir dies im Burgundischen getan, aber dann glaubte unser Anführer, dass uns das Glück im Deutschen Reich gewogener wäre.«
»Und? Ist es so?«
Ihre Blicke trafen sich. Beatrix auf solche Weise zu begegnen, überwältigte Aliza fast. So mit ihr zu sprechen, verlangte ein Übermaß an Selbstbewusstsein. Ihr frisch gefasster Mut verließ sie beinahe wieder.
»Nein«, antwortete sie tapfer. »Die Marktaufseher sind strenger hier, und die Bürger geben lieber den Bettlern ihrer eigenen Gemeinde ein Almosen, statt unseren Kupferflickern und Korbflechtern Verdienst zu ermöglichen. Die Bauern haben sogar Angst, dass wir ihnen das Korn vom Halm stehlen. Wer kein festes Dach über dem Kopf hat, ist ein gesuchter Sündenbock für alles Mögliche. Ich wünschte, wir hätten den Rhein nie überschritten.«
»Das hört sich nicht gut an«, antwortete Beatrix. »Aber lass uns über die Zukunft reden. Du bist Heinrich entwischt, warum?«
Aliza zögerte, wagte nicht, die ganze Wahrheit zu sagen. Die Angst um Leena und die anderen hielt sie im letzten Moment davon ab. Auch hatte sie das sichere Empfinden, dass sie die junge Königin kränken würde, wenn sie ihr von dem bösartigen Komplott erzählte, in das sie gegen ihren Willen verwickelt worden war. Sie musste versuchen, sich und die Ihren zu schützen, ohne Beatrix zu verletzen.
»Ich bin auf der Flucht, weil er sich Rechte herausnimmt, ohne mich zu fragen. Ich wollte mich vor ihm in Sicherheit bringen.«
»Bei mir? Wie bist du überhaupt ins Zelt gekommen?«
»Es gibt da einen Riss in der Zeltwand, hinter dem Vorhang dort. Ich versuchte meinen Weg zu ertasten, dabei habe ich ihn entdeckt.«
»Deinen Weg? Den Weg wohin?«
Was sollte sie antworten? Aliza folgte einer plötzlichen Eingebung.
»Zu Rupert von Urach.«
»Wer ist das?«
»Ein Vasall des Herrn von Zähringen. Er … er kümmert sich um mich …« Alizas Wangen röteten sich vor Verlegenheit. Es brachte Beatrix unverzüglich auf eine falsche Spur.
»Heinrich will dich deinem Ritter abspenstig machen?«, schloss sie, sich an die poetischen Balladen und romantischen Geschichten der
Chanteurs
erinnernd, die ihren Weg sogar ins Kloster von Dôle gefunden hatten. »Das lasse ich nicht zu. Ich werde dem Ritter von Urach mitteilen lassen, dass du bei mir bist. Danach können wir gemeinsam überlegen, wie es mit dir weitergehen soll.«
Fassungslos starrte Aliza die Königin an.
»Ich habe Euch gesagt, wer ich bin. Manche würden mich sogar eine Dirne nennen.«
»Bist du eine?«
Die direkte Frage trieb Aliza die Röte in die Wangen.
»Nein. Auch wenn es so aussieht.«
Ihre Augen trafen sich.
»Für mich bist du ein Mädchen aus Burgund, sprichst meine Sprache. Vor meiner Heirat lebte ich im Kloster. Niemand hat mich in dieses Land begleitet. Ich gewähre dir Gastfreundschaft, solange du möchtest.«
Sechstes Kapitel Überraschungen
Rupert von Urach
Kreuzhof bei Regensburg, 11. September 1156
D ie Wachen rechts und links des Einganges kreuzten die Lanzen vor Rupert. Erst als er sein Begehr nannte, gaben sie den Weg frei. Schon im Begriff, den Eingangsvorhang zurückzuschlagen, bemerkte er, dass innen mit gedämpften Stimmen ein scharfer Disput ausgetragen wurde. Clementia klang schroff, die Männerstimme beißend.
Ein Ehestreit?
Rupert ließ die Hand sinken, wollte wieder gehen, als von innen geöffnet wurde. Heinrich und sein Schwager Berthold traten ins Freie. Die Brauen zusammengekniffen, stutzte Heinrich bei Ruperts Anblick.
»Urach, nicht wahr? Ihr wollt zu Berthold?«
Berthold machte den Eindruck, als suche er jemanden, an dem er seine Wut auslassen konnte. Eine Bestätigung erübrigte sich.
»Er kommt wie gerufen«, erhielt Heinrich sie durch Berthold. »Wenn es einen Menschen auf der Welt gibt, der Clementia besänftigen kann, dann ist er es. Sicher kann er in unserem Sinne die Wogen glätten. Keine Sorge, man kann ihm vertrauen, Heinrich.«
Berthold attestierte Rupert Vertrauenswürdigkeit. Was war da wohl geschehen? In den beiden vergangenen Tagen war seine Gefolgschaftstreue aufs äußerste beansprucht worden. Er war gekommen, um bei Clementia Rat zu suchen, und fand sich unversehens in der Rolle des Friedensstifters. Er mahnte sich zur Vorsicht. Wenn Berthold etwas gerne
in seinem Sinne
geregelt sah – was genau erwarteten die beiden von ihm?
»Dann tut Euer Bestes, Urach«, befahl Heinrich ohne Umschweife. »Wir verlassen uns auf Eure
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