Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Fähigkeiten.«
Beide entfernten sich grußlos, ohne ihm seine Friedensmission näher zu erläutern.
Für Rupert war es die erste Begegnung mit Heinrich dem Löwen, und er musste sich eingestehen, dass er beeindruckt war von der Autorität, die er ausstrahlte. Zweifellos war er der geborene Herrscher, man zollte ihm unaufgefordert Respekt. Berthold verblasste neben ihm. Dass Clementia sich ihm offensichtlich widersetzte, bewies entweder ihren Mut oder ihre Verzweiflung. Worum ging es?
Clementia sortierte Dokumente auf einem Tisch, als Rupert eintrat.
»Oh, Rupert. Du bist es«, begrüßte sie ihn. »Gib mir Zeit, mich zu fassen«, bat sie und schloss für einen Moment die Augen, in denen Zorn blitzte.
Ärger stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie strich sich übers Haar, als wolle sie es ordnen.
»Ich kann später wiederkommen«, schlug Rupert vor.
Clementia schüttelte stumm den Kopf, öffnete die Augen wieder.
»Was sollte das schon ändern? Hast auch du davon gehört? Es ist eine Schande, der Gipfel der Peinlichkeit. Was denkt er sich eigentlich?«
»Wisst Ihr denn Genaueres über Bertholds Pläne? Mir verweigert er jede Auskunft. Was hat er mit Urach vor?«
»Wer spricht von Berthold? Ich rede nicht von ihm, sondern von Heinrich – genauer gesagt, vom Verschwinden der Ägypterin.«
Sie hatte es also erfahren. Er hatte das Problem vorerst zur Seite geschoben. Er war von den eigenen so in Beschlag genommen, dass ihm weder Zeit noch Energie geblieben waren, etwas wegen Sizma zu unternehmen.
»Verübelt es niemandem. Die Ägypterin weiß zu gut, wie man einem Mann den Kopf verdreht.«
»Das ist doch Geschwätz, Rupert. Dass ein Mann den Verstand verliert, wenn ihn die Geilheit packt, ist mir bewusst. Dass jedoch sowohl mein Bruder wie mein Mann …«
Clementia brach ab, weil Ruperts Miene solche Verwirrung zeigte, dass sie nur eine Erklärung dafür fand. »Wir sprechen von verschiedenen Dingen. Ich sehe es dir an. Weshalb bist du hier, Rupert?«
Die Schlaflosigkeit der letzten beiden Nächte forderte ihren Tribut. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, fiel Rupert schwer. Er versuchte es dennoch, indem er sich zu äußerster Sachlichkeit zwang.
»Die zweite Frau meines Vaters ist am Tag der heiligen Agnes nach schwerer Krankheit verstorben. Als die Nachricht davon in Burg Zähringen eintraf, wurden befremdliche Befehle gegeben. Man brachte meine Halbschwestern nach Zähringen und stellte sie unter die Obhut der Burgherrin. Senta ist dreizehn, ihre Schwester Katlin sechzehn. Ich weiß die Sorge um sie zu schätzen, aber dass mir nichts davon mitgeteilt wurde, gibt mir zu denken. Auch dass die Zahl der Kriegsknechte auf Urach verdoppelt wurde und nun ein Hauptmann aus Zähringen das Kommando über die Burg führt. Berthold tut meine Bedenken als lächerlich ab, aber ich kann nicht glauben, dass mich nur Hirngespinste bewegen.«
»Heilwig von Froburg, Bertholds Frau, bestimmt in seiner Abwesenheit über Burg und Ländereien. Sie ist eine freundliche Frau«, antwortete Clementia. »Du musst dir keine Sorgen um die Mädchen machen, Rupert. In ihrer Trauer bedürfen sie des Trostes und mütterlicher Fürsorge. Heilwig wird sich als Lehnsherrin verpflichtet fühlen, sich ihrer mit Wärme anzunehmen.«
»Die Frau meines Burgvogtes hat sich schon während der Krankheit der Mutter um die beiden gekümmert. Es fehlte ihnen also an nichts. Sie haben Urach unter Tränen verlassen müssen.«
Clementia legte den Zeigefinger nachdenklich an die Unterlippe. »Hast du Berthold Grund gegeben, dir zu misstrauen, Rupert?«
»Haltet Ihr mich für einen Verräter?«
»Nein, aber für einen Mann mit eigener Meinung, die er auch vertritt. Und ihr seid verschieden. Du stehst mit beiden Beinen auf der Erde, er greift nach den Sternen. Suchst du bei mir Rat, weil sich Berthold weigert, seine Pläne preiszugeben?«
»Er hat mir untersagt, nach Hause zu reiten und dort nach dem Rechten zu sehen. Er bedürfe meiner Dienste hier. Der Hauptmann und seine Männer seien nur nach Urach geschickt worden, um sicherzustellen, dass kein Feind die Gelegenheit ergreift, eine herrenlose Burg an sich zu bringen.«
»Willst du abstreiten, dass das vernünftig klingt?«
Rupert knirschte mit den Zähnen.
»Und warum muss ich diese Dinge von meinem Burgvogt erfahren und nicht von ihm? Was bezweckt er damit? Er hat Gefallen daran gefunden, Gehorsam durch Geiseln zu erzwingen. Was plant er für meine Schwestern?«
»Heilwig wird gute
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