Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Unbekannte«, stellte Beatrix mit einem Lächeln für Rupert fest. »Sie sagt, sie stehe unter Eurem Schutz und folge Euren Befehlen. Es sei Euer Recht, zu entscheiden, ob sie mir dienen dürfe oder nicht. Wie Ihr zu dieser Vollmacht gekommen seid, wollte sie mir allerdings nicht verraten. Vielleicht tut Ihr es ja?«
Dass Aliza Schutz vor Heinrich dem Löwen ausgerechnet bei der Königin fand, empfand sie als eine schwer zu ertragende Tücke des Schicksals, doch zu entscheiden, was richtig und was falsch war, überstieg im Augenblick ihre Kräfte.
Sie suchte den Faltenwurf ihres Übergewandes und zerknitterte fahrig den Stoff, wartete ratlos Ruperts Reaktion ab und bewunderte das Einfühlungsvermögen der Königin, die Ruperts Zögern offensichtlich verstand.
»Ihr würdet Euch gerne mit Aliza austauschen, aber in meiner Gegenwart fällt Euch das schwer«, wandte sie sich an ihn. »Ich will mich zu Agnes setzen und ihr helfen. Hinter dem Wandschirm findet Ihr Platz für ein Gespräch. Bedenkt bei allem, solange Aliza unter meinem Schutz steht, kann ihr weder Herzog noch Ritter zu nahe treten.«
Aliza warf der Königin einen dankbaren Blick zu.
Ihre Worte überschlugen sich fast, während sie Rupert leise sprechend die Ereignisse des Vorabends schilderte und ihre Flucht verteidigte.
»Bitte berichtet Herrn Berthold, und bitte seht, dass meinetwegen niemand bestraft wird. Ich will alles tun, was mir befohlen wird.«
»Beruhige dich.« Rupert fing ihre Hände ein, die gestenreich den Bericht unterstrichen hatten. Die Berührung wärmte Aliza. »Es ist klug, dass du nach mir geschickt hast. Weiß die Königin, dass du zum fahrenden Volk gehörst?«
»Natürlich, weshalb sollte ich lügen?«
»Deine Aufgabe hast du nicht erwähnt?«
»Nein! Beim Leben meiner Sippe.«
Glaubte er ihr? Seine Hände hielten noch immer die ihren. War er sich dessen bewusst? Es rief ein Gefühl von Schwäche in ihr hervor.
»Wir wollen besonnen vorgehen.« Seine Stimme klang wie von ferne. »Bleib bei der Königin, bis ich mich mit Berthold besprechen kann. Am besten, wir lassen sie in dem Glauben, dass die Liebe uns verbindet. Es scheint dann umso begründeter, dass ich dich schütze.«
Aliza hätte es gerne ebenfalls geglaubt, aber alles sprach dagegen. Wenn ihm wirklich an ihr lag, wieso fiel ihm dann nichts Besseres ein, als Berthold über sie bestimmen zu lassen?
»Es ist wohl zu viel verlangt, einen Ausweg zu finden, der mir diese Zumutungen erspart«, murmelte sie spröde.
»Ja.«
Erschrocken blickte sie ihm in die Augen. Überrascht, konnte er nicht – wie üblich – seine Empfindungen rechtzeitig verbergen.
Aliza fand ihr Leid in seinen Augen gespiegelt. Rupert entdeckte ihre Verzweiflung. Es zog sie zueinander, doch sie wussten, dass es keinen gemeinsamen Weg gab. Jedes Wort wäre verschwendet.
»Ich kann die Königin nicht belügen«, flehte Aliza. »Ich kann ihr kaum in die Augen sehen. Sie handelt ohne Ansehen von Rang und Namen. Und wie muss und soll ich es ihr danken? Mit Heimtücke und Niedertracht?«
»Denke ausnahmsweise einmal an dich und nicht an andere«, riet Rupert.
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.«
»Du musst.«
Befehl über Befehl. Nie hörte sie etwas anderes von ihm. Aliza versuchte ihrer Empfindungen Herr zu werden und sich dreinzufinden. Vielleicht deutete sie alles falsch. Vielleicht verwechselte sie einfach Wunsch und Wirklichkeit. Hastig nahm sie ihre Hand aus seiner und nickte stumm.
Die Königin räusperte sich vielsagend und beendete damit jede Vertrautheit. Rupert folgte dem Ruf. Die Hand auf Alizas Schulter, kehrte er mit ihr zurück zu Beatrix. Die Wahrnehmung des Körperkontaktes mit ihm hielt noch an, als sich die Königin von Rupert verabschiedete.
»Seid gewiss, Aliza ist gut aufgehoben bei mir. Und auch wird Euer Lehnsherr eine heimatlose Fremde, die Ihr ehelichen wollt, sicher anders beurteilen, wenn die Braut zum königlichen Haushalt gehört.«
Ruperts Braut? Musste die Verstellung so weit getrieben werden? Es war nicht nur die Lüge, die Aliza bekümmerte, auch die vergebliche Illusion tat weh.
»Sei nicht so betrübt«, tröstete Beatrix sie mitfühlend. »Lass uns darüber nachdenken, wie wir den Damen meines Hofstaats dein unverhofftes Auftauchen erklären. Du musst auch auf die eine oder andere Frage gefasst sein. Dass du im Burgundischen aufgewachsen bist, macht die Sache leichter. Es erklärt, dass du meine Sprache sprichst.«
Aliza sah und hörte voller
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