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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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eigentlich vorgehabt hatte. An diesem Abend würde Wolf vergeblich auf sie warten.
     
    Im Laufe der Nacht hatte das Wetter umgeschlagen. Bei Tagesanbruch ballten sich Regenwolken im Westen. Böiger Wind zerrte an Zelten und Fahnen.
    »Es hat alles seine Richtigkeit«, erklärte Rupert der verwunderten Aliza und hob sie ohne viel Federlesens aufs Pferd. »Da wir mit königlichem Befehl unterwegs sind, erhalten wir Begleitschutz.«
    Er sprang selbst wieder in den Sattel, ergriff die Zügel mit einer Hand und fasste Aliza mit der anderen stützend um die Taille. In einen braunen Wollumhang gehüllt, der von der Kapuze bis zum Saum mit Marderfell gefüttert war, glich sie an diesem Morgen einer Dame. Ob ihre Stammesgenossen sie überhaupt erkennen würden? Im Gegensatz zu Sizma, der man die Ägypterin auch in Samt und Seide ansah, erschien Aliza in anderen Kleidern wie in eine andere Haut geschlüpft.
    Da er sie enger an sich presste, als es erforderlich gewesen wäre, erreichte ihn der Duft von Sommerblumen und Kräutern, überlagert von dem exotischer Gewürze, den sie im Haushalt der Königin angenommen hatte.
    Aliza mühte sich, das Gleichgewicht zu halten, ohne sich völlig an ihn zu schmiegen. Immer wieder rückte sie von ihm ab, und ihre Unruhe übertrug sich auf den Rappen, der die feste Hand eines geübten Reiters gewohnt war.
    »Wenn du nicht aufhörst zu zappeln, werden wir beide vom Pferd fallen«, warnte er sie. Das Kinn über ihrem Scheitel, genoss er ihre Nähe.
    »Ich … ich kann nicht«, vernahm er sie nur. »Das Pferd ist zu hoch. Mir schwindelt.«
    Rupert schmunzelte und verzichtete fürs Erste darauf, sein Ross zu schärferem Trab anzuspornen.
    »Sieh nach vorne und vertraue darauf, dass ich dich halte«, beruhigte er sie. »Solange du dich nicht gewaltsam aus meinem Griff befreist, fällst du nicht. Versuche deine Bewegungen auf den Trab des Pferdes einzustimmen, wie du sie beim Tanz auf die Musik einstimmst.«
    Offensichtlich hatte er die richtigen Worte gefunden. Alizas Atem wurde ruhiger. Ihre verkrampfte Haltung löste sich nach und nach. Bis sie jedoch ein Gespräch wagte, hatten sie sowohl das Lager wie die Stadt und die Donaubrücke längst hinter sich gelassen. Sie ritten über den Treidelpfad am Flussufer.
    Rupert ertappte sich dabei, dass er auf die Haarsträhne wartete, die sie sich immer wieder hinter das Ohr strich. Alizas Nähe war ihm auch ohne ein Gespräch, das sie meist mit scharfer Zunge führte, reines Vergnügen.
    »Die Königin wünscht kein Aufsehen in Donaustauf. Könnt Ihr die Männer nicht zurückschicken? Ihr seid bewaffnet, wozu brauchen wir noch eine Eskorte?«
    »Es macht einen besseren Eindruck in Donaustauf, und es legitimiert meine Anweisungen. Hast du vergessen, dass ich versprochen habe, deinen Leuten freien Abzug zu gewähren? Dein Besuch ist die beste Gelegenheit dazu. Wie ist es dir nur gelungen, der Königin diese Gunst abzuschmeicheln?«
    »Ich schmeichle niemals«, korrigierte sie.
    »Das beruhigt mich«, antwortete Rupert trocken.
    »Die Königin hat ein mitfühlendes Herz«, wurde Aliza wieder ernst. »Sie weiß, wie schwer mir der Abschied fällt. Ob ich mich vor diesem Abschied über das Wiedersehen mit meinen Leuten freuen oder mich davor fürchten soll, weiß ich allerdings nicht. Alle werden mir Fragen stellen: nach meiner Schwester, nach Milosh und Tal, nach dem Grund für all das Unrecht. Was ich bei der Königin suche und warum ich Leena verlassen will.«
    »Du musst nichts erklären«, riet Rupert. »Schieb alles auf die Männer des Bischofs und auf die Entscheidung der Königin. Alles andere würden sie nicht verstehen. Und sie sind Ungerechtigkeit gewöhnt.«
    »Es ist das tägliche Brot aller Fahrenden.«
    »Eben. So sollte es dir auch nicht zu schwer fallen, dieses Leben aufzugeben. Sei klug und nutze die Gelegenheit.«
    »Um mir ein Leben einzuhandeln, dessen Fäden die Herzogin von Sachsen in Händen hält, während Berthold sie verknotet? Lieber wäre mir da doch, ich zöge mit meinen Leuten. Wenn ich wüsste, dass Sizma in Sicherheit ist, würde ich es tun.«
    Rupert verstärkte seinen Griff.
    »Die Königin erwartet dich spätestens heute Abend wieder zurück. Ich will nicht daran denken, was sie täte oder sagte, käme ich ohne dich.«
    Aliza rang sich ein Lächeln ab.
    »Seht Ihr, dieses neue Leben ist haargenau wie das alte. Ob es mir je vergönnt sein wird, irgendetwas frei zu entscheiden?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er.

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