Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Mädchen seine Pflicht tun. Ich sehe gerne dabei zu. Es ist mir viel zu selten vergönnt, einen Blick in dein Privatestes zu tun.«
Gesenkten Blickes erhob sich Aliza und griff nach dem Elfenbeinkamm. Beatrix zögerte unmerklich, dann nahm sie vor ihr am Tisch Platz und strich das Haar auf den Rücken.
»Beeil dich«, bat sie leise. »Es genügt, wenn du es einfach flichtst.«
Alizas Hände zitterten ungewohnt, stellte Beatrix fest. Weil der Kaiser ihr zusah? Sie hatte noch nicht erlebt, dass Frauen Angst vor ihm hatten. Er gab ihnen keinen Grund dazu. Nie hatte sie ihn die Stimme erheben hören oder ihn dabei ertappt, dass er, wie ihr verstorbener Onkel häufig, vor Wut zu toben begann. Wenn ihm etwas missfiel, wurde er eher leise.
Sein Lachen bewies, dass er heute bester Stimmung war. Sie begegnete dem Zwinkern eines männlich amüsierten Blickes.
»Ehrlich gesagt, ich habe nie darüber nachgedacht, wie du es anfängst, dass du mich Tag um Tag mit deiner Schönheit verzauberst.«
Friedrich bediente sich vom leichten Burgunderwein, der auf dem Tisch stand und trank mit erkennbarem Genuss. Geschmeichelt ging Beatrix auf seinen lockeren Ton ein. Auch in der Hoffnung, dass sich Aliza fasste und zu ihrer gewohnten Geschicklichkeit zurückfand. Augenblicklich zerrte sie nur an ihren Haaren.
»Sicher hast du als Kind zugesehen, wenn ihre Mägde deine Mutter angekleidet und geschmückt haben. Erinnere dich, dann kommst du hinter das Geheimnis«, entgegnete sie. »Sie muss dich über alles geliebt haben.«
Mit gerunzelter Stirn sann Friedrich darüber nach.
»Die Zeiten, in denen meine Mutter noch lebte, waren von Bürgerkrieg und den Machtkämpfen zwischen Welfen und Staufern geprägt. Als Speyer zum Jahreswechsel 29 auf 30 von König Lothar belagert wurde, lebte ich bei ihr. Gemeinsam erlitten wir eine schlimme Zeit des Hungers, der Kälte und der Krankheiten. Nach der Befreiung wurde sie nie wieder richtig gesund. Sie ist kurze Zeit darauf gestorben. Für Mutterliebe war da wenig Raum geblieben.«
Beatrix fehlten die Worte, ihre Anteilnahme auszudrücken, während Friedrich unerwartet Gefallen daran fand, sich seinen Erinnerungen hinzugeben.
»Du bringst mir zu Bewusstsein, dass ich seit Jahren nicht mehr an meine Mutter gedacht habe. Ich bin nahezu ausschließlich im Kreise von Männern aufgewachsen, die großen Wert darauf legten, dass ich geschickter, schneller, klüger, frommer und tapferer als alle anderen würde. Sie nicht zu enttäuschen war mein ganzes Bestreben.«
»Und Adela von Vohburg?« Beatrix konnte die neugierige Frage nicht unterdrücken. »Wie wurde sie deine Frau?«
Zu ihrem Erstaunen erhielt sie darauf eine Antwort.
»König Konrad stiftete meine Ehe mit Adela in bester Absicht, weil sie nach dem Tod ihres Vaters große Ländereien erbte. Sie brachte das Egerland, Teile des Nordgaus und ein beträchtliches Vermögen ein. Doch der Himmel hat uns seinen Segen verweigert. Was immer man dir darüber berichtet, Tatsache ist, dass wir nie einen Weg zueinander gefunden haben. Unsere Scheidung war eine Erlösung für beide Teile.«
Mehr würde sie über diese Ehe von ihm nie erfahren, das machte sein Ton dabei unmissverständlich klar. Beatrix ging deshalb auch nicht auf seine Antwort ein, fragte sich stattdessen, wie Friedrich, dieser Enttäuschung zum Trotz, ein solches Einfühlungsvermögen für Frauen entwickelt hatte. Weil sie ihn so faszinierten? Denn das taten sie, man musste nur den interessierten Blick beobachten, mit dem er Aliza ansah. Unwillkürlich versuchte sie mit seinen Augen zu sehen.
Die Augen wie grüne Kerzen. Die Lippen schimmerten feucht und rot. Das Haar war zwar unter dem Gebände verborgen, aber die Brauen verrieten sein Kupferrot. Die Konturen eines schlanken Körpers unter dem einfachen Gewand. »Das genügt, danke.«
Beatrix griff ungeduldig nach dem Zopf, den Aliza erst zur Hälfte geflochten hatte.
»Du kannst dich zur Ruhe begeben. Ich mache selbst weiter. Gute Nacht.«
Aliza gehorchte augenblicklich und verabschiedete sich mit einer Reverenz.
Beatrix sah ihr mit einer Spur von Unbehagen nach. Sie hatte sie zum ersten Male wie eine Magd behandelt. Warum? Weil sie fürchtete, Friedrich könne sich einer anderen zuwenden?
Niemals!
Sie wandte sich zu ihm um und ertappte ihn dabei, wie er Aliza nachsah.
Niemals?
Achtes Kapitel Totenklage
Rupert von Urach
Kreuzhof bei Regensburg, 18. September 1156
W olf hieb Rupert zum Empfang in seinem Zelt auf die
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