Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Dai,
eine weise Frau, nicht mit solch gemeiner Neugier. Das lassen Ehrfurcht und Respekt ihr gegenüber nicht zu. Rupa zollt man auch noch zusätzlich Achtung, weil sie eine Heilerin ist, die sogar von weisen Frauen anderer Stämme um Rat gebeten wird. Niemand weiß mehr über Tod und Leben als Großmutter. Man bemüht sich, sie nicht zu stören, wenn sie in ihrem Wagen Kräuter sortiert und Tinkturen mischt. Das genaue Maß und die Rezeptur der Zutaten sind ein Geheimnis, das sie nur mit meiner Mutter teilt.«
Beatrix vergaß auf der Stelle, was sie über Aberglauben gesagt hatte.
»Das klingt mehr als phantastisch, Aliza, und eigentlich mag ich es gar nicht glauben. Doch wenn – wenn deine Großmutter tatsächlich im Heilen bewandert ist, kennt sie dann vielleicht auch ein Mittel, das mir dazu verhilft, ein gesundes Kind zu empfangen? Ich darf kein zweites Mal versagen. Friedrich wartet auf einen Sohn.«
»Möglich ist es. Unter den Frauen wird viel über das Kinderkriegen und Großmutters Hilfe dabei getuschelt. Aber Unverheiratete werden von diesen Gesprächen ausgeschlossen, so dass ich nichts Genaues sagen kann. Man müsste Großmutter selbst fragen.«
»Dann frag sie! Wo lagern deine Leute? Es muss doch ganz in der Nähe sein?«
Aliza ließ die Wollfäden sinken, die sie während des Gesprächs zu einem bunten Gürtel verknüpft hatte.
»Sie … sie werden noch in Donaustauf sein. Doch, entschuldigt, verstehe ich Euch richtig? Soll ich etwa meine Großmutter aufsuchen und sie für Euch befragen?«
»Ja, du verstehst mich ganz richtig. Du bist die Einzige, die ich darum bitten kann.«
»Ich will ja gerne tun, was Ihr verlangt. Aber wie soll das gehen?«
Die praktische Art Alizas, gleich zur Sache zu kommen, gefiel Beatrix, wie überhaupt beide zunehmend Gefallen aneinander fanden.
»Du brauchst einen Begleiter, der dich hin-und mit der Medizin sicher zurückbringt. Ich weiß auch schon, wen ich darum bitten werde. Deinen Ritter Rupert. Halte dich bereit für morgen. Bei einem frühen Aufbruch kannst du bis zum Sonnenuntergang wieder zurück sein.«
»Wie Ihr befehlt …«
Beatrix schloss für einen Moment die Augen, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Mit der Subpriorin des Klosters in Dôle, die dort für das Siechenhospital und die Apotheke zuständig gewesen war, hatte sie viele Stunden verbracht. Sie zweifelte nicht daran, dass es für jede Krankheit die richtigen Kräuter gab, sie hatte die Schwangerschaft jedoch nie mit einer Krankheit gleichgesetzt. Es war aber wohl nicht falsch, sie unter medizinischen Aspekten zu betrachten.
Der Medicus des Kaisers hatte viel von ihren schmalen Hüften, von Blutarmut und Jugend geredet, als Medizin indes lediglich Abwarten und Geduld empfohlen. Wenn Alizas weise Großmutter Besseres zu bieten hatte, würde sie sie reich dafür belohnen. Durfte sie hoffen?
Ruhig, ganz ruhig!,
beschwor sie sich selbst.
Richte deinen Geist auf etwas anderes. Auf Friedrichs Baupläne, auf die Vorbereitungen für die Abreise.
Bis Rupert von Urach eingelassen wurde, den sie durch einen Pagen beordert hatte, hatte sie sich so weit gefasst, dass sie ihm eine plausible Erklärung für Alizas Besuch in Donaustauf geben konnte. Der wahre Grund musste ein Geheimnis zwischen ihr und Aliza bleiben.
»Sie will sich von ihrer Familie verabschieden, aber es muss natürlich in aller Heimlichkeit geschehen, damit es keine unnötigen Fragen gibt.«
Aliza gab durch Nicken ein Zeichen der Bestätigung.
»Ich vertraue auf Eure Diskretion und hoffe, Euer Pferd ist schnell und kann zwei Personen tragen. Ihr müsst Aliza mit Euch auf den Sattel nehmen, denn sie ist noch nie geritten. Übermorgen wird das Lager abgebrochen. Ihr dürft morgen keine Zeit versäumen. Aliza wird bereit sein.«
»Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Majestät!«
Beatrix reichte ihm die Hand zum Kuss und verabschiedete ihn.
Die Gewohnheiten des Klosterlebens hatten Beatrix über Jahre hinweg geprägt. Noch immer unterteilte sie sich den Tag durch acht Stundengebete. Friedrich traf sie in tiefer Andacht an, die Stirn auf die gefalteten Hände gesenkt. Unweit von ihr wartete Aliza darauf, das offene Haar der Königin für die Nacht zu flechten.
»Beatrice!«
Beatrix liebte es, wenn Friedrich die französische Variante ihres Namens wählte. Eilig erhob sie sich, streckte ihm erfreut die Hände entgegen.
»Du kannst gehen«, wollte sie Aliza entlassen, aber Friedrich erhob Einspruch.
»Lass das
Weitere Kostenlose Bücher