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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Vater es dann wollen, könnt ihr nach einem anderen Baumeister suchen, der dich als
felmacc
, als Schüler, nimmt.«
    Die Darlegungen zu Recht und Gesetz hatten den Jungen zwar völlig verwirrt, aber so viel hatte er verstanden: man würde ihn nicht einfach irgendwo aussetzen und sich selbst überlassen. Er schien etwas erleichtert.
    »Vielleicht kann Gúasach in der Abtei bleiben, bis die Dinge hier geklärt sind«, wandte sich Fidelma an Bruder Donnán. »Ich werde mich derweil um seine Angelegenheit kümmern.«
    »Ich spreche mit Bruder Máel Eoin, der beschafft ihm bestimmt einen Platz im Gästehaus.« Seine nächsten Worte galten Gúasach. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst den Kopf nicht hängenlassen? Alles wird gut.«
    Fidelma und Eadulf verabschiedeten sich und verließen die Bibliothek.
    »Wird man dem Knaben wirklich helfen können?«, fragte Eadulf draußen.
    »Es ist im Gesetz festgeschrieben«, erwiderte Fidelma. »Der Junge wurde Glassán in Pflege gegeben. In seiner Eigenschaft als Baumeister sollte er ihn im Baugewerbe ausbilden. Wir haben eine ganze Gesetzessammlung, das
Cáin Íarraith
, das Gesetz über Pflegschaft und anfallende Kosten. Glassán war sein
fithidir
, sein Ausbilder, und der Junge sein
felmacc
, sein Schüler. Wenn ein Pflegekind vorzeitig, aus was für Gründen auch immer, an seinen Vater zurückgegeben wird, muss die Gebühr für die Pflegschaft, das sogenannte
íarraith
, zurückgezahlt werden. Das gilt für die gesamte Gebühr. Nur wenn der Schüler sich etwas hat zuschulden kommen lassen, könnten Glassán oder sein nächster Verwandter von dieser Rückerstattung entbunden werden. Das Gesetz verlangt, dass der Junge mitsamt der bereits gezahlten Gebühr wieder dem Vater übergeben wird, sodass weder er noch sein Vater durch den Vorfall hier geschädigt werden.«
    »Das klingt gut«, meinte Eadulf. »Was nehmen wir uns als Nächstes vor?«
    »Wir werden uns in Glassáns Kammer im Gästehaus umtun. Vielleicht hat er einen Letzten Willen hinterlassen. Die meisten, denen bei der Arbeit leicht etwas zustoßen kann, machen das. Aber zuvor will ich noch einmal mit Bruder Seachlann reden.«
    Eadulf wusste, dass es bei Fidelmas Leuten Brauch war, einen Letzten Willen aufzusetzen, Anweisungen zu geben, wie sie ihr Eigentum verwaltet wissen wollten. Es war eine althergebrachte Sitte, an die man sich schon gehalten hatte, ehe der Neue Glauben kam, denn man war überzeugt, dass der Tod nicht das Ende bedeutete, sondern dass jeder in der Anderwelt eine Wiedergeburt erführe. Bevor man also auf die
fecht-uath
, die Grabreise, ging, hielten die meisten ihren Letzten Willen schriftlich fest.
    Sie fanden Bruder Seachlann allein in seinem Hospital, wo er damit beschäftigt war, das
racholl
, das Leichentuch, für die Trauerfeier vorzubereiten, in das man den Toten hüllen würde. Stirnrunzelnd blickte der Arzt auf.
    »Müsst ihr den Leichnam noch weiter untersuchen?«, fragte er gereizt. »Ich habe ihn bereits gewaschen.«
    »Nicht über Glassán wollte ich mit dir reden«, entgegnete Fidelma. »Wie ich höre, hast du dich vor kurzem nach Ard Mór begeben.«
    Er sah sie überrascht an.
    »Das ist richtig«, gab er zu.
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Das ist kein Geheimnis. Ich wollte Kräuter für meine Mixturen holen. Es gibt dort einen Markt, wo Waren verkauft werden, die Schiffe von jenseits der Meere mitbringen, und oft sind auch Kräuter darunter, die ich gut …«
    Mit erhobener Hand gebot ihm Fidelma Einhalt.
    »Du bist auch in der Abtei gewesen und hast dort eine Botschaft aus Fear Maighe überbracht.«
    »Ja, und?«
    »Wie ist die besagte Botschaft zu dir gelangt?«
    »Wie?« Er schien zu überlegen. »Ein junger Mann aus Fear Maighe, der wusste, dass ich nach Ard Mór unterwegs war, übermittelte sie mir.«
    Fidelma hatte Mühe, sich zu beherrschen.
    »Wer war er und woher wusste er, dass du nach Ard Mór wolltest?«
    »Keine Ahnung, wie er hieß. Es war ein junger Mönch, dem ich im
scriptorium
begegnete. Der
scriptor
erzählte mir, er würde des Öfteren Botschaften zwischen den Abteien hin und her tragen. Er war aus Fear Maighe gekommen und sollte dem Abt von Ard Mór eine Nachricht überbringen.Das bereitete ihm Sorge, denn er hatte außerdem dringende Botschaften für die Abtei in Fionán’s Height, die nördlich von hier hinter den Bergen liegt. Da ich wegen der Kräuter noch am gleichen Tag nach Ard Mór reiten wollte, übernahm ich es, die frohe Kunde statt seiner zu

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