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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dass die Kerze, die er trug, nicht nach vorn, sondern nach hinten geflogen ist.«
    Fidelma sparte nicht mit Lob. »Gut beobachtet, Eadulf. Hast du eine Erklärung dafür?«
    »Nachdem sie ihn niedergeschlagen hatten, zerrten sie den Toten dahin, wo er später gefunden wurde. Er sollte unter der halbfertigen Mauer liegen. Einen Stein heranzuschleppen und mit Blut zu beschmieren war kein Problem; es sollte aussehen, als sei der Stein heruntergekippt und hätte ihn getötet. Aber die Kerze, an die haben sie nicht gedacht.«
    »Woher nimmst du die Gewissheit, dass sie den Leichnam näher an die Mauer geschafft haben?«
    Er zeigte auf die Erde hinter ihr, und Fidelma erkannte kleine Blutflecke auf den Steinen und auch eine winzige, schon fast getrocknete Blutlache.
    »Es war dunkel, und der Täter hatte keine Zeit, alle Spuren zu tilgen, doch ein argwöhnisches und scharfes Auge sucht und findet! Der Überfall auf mich galt wohl eigentlich Glassán. Als ich die Kerze hochhielt und man mich erkannte, hat mich einer der Täter vor dem herabstürzenden Stein gerettet.«
    »So war es wohl. Demnach müssen es zwei Täter gewesen sein.«
    »Auch diesmal waren es wahrscheinlich zwei.«
    »Wir dürfen nicht die anderen vermeintlichen Unfälle vergessen. Möglicherweise waren es alles Versuche, Glassán umzubringen. Nach dem letzten Versuch, der dich beinahe das Leben gekostet hätte, hat man offensichtlich den Gedanken aufgegeben, einen Unfall vorzutäuschen. Man hat dafür gesorgt, dass Glassán wirklich tot ist, und erst später alles so hergerichtet, dass es wie ein Unfall aussieht.« Fidelma schaute sich noch einmal um und sagte dann: »Wir sollten jetzt mit dem Jungen reden.«
    »Nur sehe ich keinen Zusammenhang zwischen dem Mord an Glassán und dem Mord an Donnchad«, sinnierte Eadulf, während sie gemeinsam zur Bibliothek schritten.
    »Vielleicht ist da auch keiner«, erwiderte Fidelma.
    »Aber merkwürdig ist es schon.«
    »Zufälle machen oft wohldurchdachte Pläne zunichte«, sagte Fidelma.
    Eadulf schob die Unterlippe vor und ließ sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen.
    »Ich neige zu der Auffassung, das Tatmotiv ist in dem Ruf zu suchen, den der Baumeister hatte. Der Charakter eines Menschen ist sein steter Begleiter.«
    Fidelma schmunzelte, sagte aber nichts.
    An der Tür zum
scriptorium
stießen sie auf Bruder Donnán, der sie mit ernstem Gesicht begrüßte.
    »Ihr wollt sicher den Jungen sehen«, meinte er.
    »In welcher Verfassung ist er? Kann man ihm Fragen stellen?«
    »Trotz seines jugendlichen Alters hält er sich tapfer. Natürlich war es ein Schock für ihn, und er ist weit weg von zu Hause.«
    »Hab Dank, dass du dich um ihn kümmerst, Bruder Donnán«, sagte Fidelma. »Wo ist er?«
    Der
scriptor
wies auf das hintere Ende der Bibliothek. Dort saß der Junge und starrte vor sich hin. In der Hand hielt er missmutig einen Becher.
    »Ich dachte, ein Schluck Wein könnte ihm über den Kummer hinweghelfen«, erklärte Bruder Donnán.
    Fidelma erwiderte nichts, sondern begab sich zu ihm. Eadulf und Bruder Donnán folgten ihr.
    »Hallo, Gúasach«, begrüßte sie ihn schon von weitem, denn der Junge hatte bei ihrem Näherkommen aufgeschaut.
    »Hallo, Schwester«, erwiderte auch er mit fester Stimme.
    »Geht es dir einigermaßen?«
    »Ich weiß selbst nicht recht. Drei Jahre lang war ich bei Glassán in Pflegschaft, habe also drei Jahre bei ihm gelernt. Ein netter Mensch war er nicht gerade, hat mich auch nicht gut behandelt, aber er war mein rechtlich festgelegter Pflegevater und Unterweiser. Wie soll mein Leben jetzt weitergehen?«
    Fidelma zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Bevor du mir berichtest, was heute Morgen geschehen ist, lass mich dir eins sagen: Darüber, wie es mit dir weitergeht, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Man wird sich um dich kümmern und dich zu deinen Verwandten zurückbringen. Um deine Zukunft muss dir nicht bange sein. Und nun erzähl, wie du Glassán gefunden hast.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich bin zur gewohnten Zeit aufgestanden, das ist mit der Morgendämmerung. Ich kam zur Abtei, um mich zu vergewissern, dass alles für den Tag gerichtet war. So, wie ich es immer mache.«
    »Du bist in den Arbeiterhütten außerhalb des Abteigeländes untergebracht, stimmt’s?«
    »Ja, am Fluss.«
    »Und Glassán wohnte im Gästehaus der Abtei. Du hast ihn also immer erst gesehen, wenn du zur Arbeit auf die Baustelle kamst. Ist das nicht ungewöhnlich für

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