Der Blutkelch
übermitteln, und beiden war gedient.«
Fidelma schwieg einen Moment, ehe sie fragte: »Und was besagte die frohe Kunde?«
»Nicht mehr und nicht weniger, als dass man kostbare Handschriften auf dem Wasserweg von Fear Maighe nach Ard Mór schicken würde. Wann der Frachtkahn ankommen sollte, habe ich vergessen, obwohl man mir die Zeit und auch seinen Namen gesagt hatte, damit der Abt sich darauf einstellen konnte, die zu bezahlende Summe bereit zu haben. Was soll das alles?«
»Vielleicht gar nichts weiter«, meinte Fidelma ruhig. »War auch von den Namen der Autoren oder den Titeln der Bücher die Rede?«
»Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß nur, dass der
scriptor
mir die Titel aufgeschrieben hatte, falls ich sie vergessen sollte. Er schrieb sie auf ein Stück Birkenrinde, und das habe ich dem Abt von Ard Mór gegeben.«
»Du hast das Stück Rinde nicht selbst behalten? Hast du es tatsächlich bei deiner Ankunft in Ard Mór dem Abt übergeben?«
»Es ist, wie ich gesagt habe.«
»Nun gut. Vielen Dank für deine Auskünfte.«
»Du willst den Leichnam wirklich nicht weiter untersuchen?« Bruder Seachlann deutete auf Glassáns Körper, der unter dem Laken verdeckt lag und darauf wartete, eingehüllt zu werden.
»Nein. Wann wird er begraben?«
»In der Abtei ist es Brauch, einen Tag Totenwache zu halten und zur Mitternacht die Leiche zu begraben. Wir haben den Toten erst in den frühen Morgenstunden gefunden, aber Bruder Lugna ist der Meinung, da er in der Nacht gestorben ist, sollten die Trauerfeierlichkeiten noch heute Nacht stattfinden.«
Fidelma warf einen Blick zu Eadulf. »Ich hatte gedacht, die Totenwache und Totenklage sollten immer einen vollen Tag und eine volle Nacht andauern.«
Bruder Seachlann schniefte verächtlich.
»Glassán hat nicht zur Bruderschaft hier gehört. Ich nehme an, Bruder Lugna geht davon aus, dass nur wenige Leute gewillt sind, an der Totenwache teilzunehmen. Er hat angewiesen, dass Glassán auf dem kleinen Gottesacker östlich der Abtei bestattet wird, wo auch andere Mitglieder der Bruderschaft ruhen.«
»Bruder Lugna scheint es eilig zu haben, Glassán unter die Erde zu bringen«, stellte Eadulf fest, als sie draußen waren. »Ich könnte mir vorstellen, dass etliche von Glassáns Arbeitern bei dem Leichnam Wache halten wollen, wie es der Brauch verlangt.«
»Wir werden Saor dazu befragen. Wie auch immer, viele Dinge, die Bruder Lugna macht, setzen mich in Erstaunen.«
»Ich glaube, wir haben zudem allen Grund, Bruder Seachlann ebenfalls einigen Argwohn entgegenzubringen.«
»Jedenfalls hat er die Nachricht vom Transport der Handschriften nach Ard Mór gebracht. So viel haben wir herausgefunden. Natürlich kann er auch ein Glied in der Kette gewesen sein, mit Hilfe derer die Nachricht in die Hände derjenigen geriet, die den Frachtkahn überfielen und die Bücher raubten.«
»Warum ist dieses Werk des Celsus von so großer Bedeutung,und inwiefern kann es den Tod von Bruder Donnchad mit herbeigeführt haben?«, fragte Eadulf verdrossen. »Nicht nur was das Buch angeht, auch sonst sehe ich nicht durch, wie all das, was hier geschieht und geschehen ist, zusammenhängt.«
»Hat nicht Julius Caesar selbst gesagt
in bello parvis momentis magni casus intercedunt
?«
Eadulf schaute sie verwirrt an.
»Im Krieg haben kleine Ursachen große Wirkung«, murmelte er vor sich hin.
Fidelma nickte bedächtig. »Mit anderen Worten, achte auf die kleinen Dinge. Wenn du das machst, wird deine Geduld es dir lohnen.«
»Ich bin ziemlich erschöpft«, gab er zu, als sie über die Steinplatten im Innenhof liefen. »Wir haben in den letzten Tagen beachtliche Strecken zurückgelegt.«
»Hätten wir das nicht getan, wüssten wir jetzt nicht, dass wir kurz vor der Lösung stehen«, sagte Fidelma zu seiner Überraschung. Eine Gegenfrage zu stellen war ihm nicht vergönnt, denn sie strebte dem Gästehaus zu und rief nur über die Schulter: »Komm, wir müssen Glassáns Kammer durchsuchen.«
KAPITEL 18
Sie waren etwa auf Höhe des Springbrunnens im Innenhof, als sie von hinten laute und aufgebrachte Stimmen vernahmen. Sie schauten sich um und sahen Bruder Lugna, der einer Schar von Männern gegenüberstand – Bauleute, unter ihnen Saor. Die kriegerische Pose, in der der Verwalter aufzutrumpfen versuchte, wirkte für einen Mann des Glaubens geradezu grotesk. Die Bauarbeiter ließen sich von ihm nicht beeindrucken und drängten durch die Tore der Abtei nach draußen. In eben dem
Weitere Kostenlose Bücher