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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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»Haltet es, wie ihr wollt. Natürlich könnte es bei manchen den Eindruck erwecken, Arbeiter, die ihrem Baumeister nicht die letzte Ehre erweisen, haben ihm selbst zu seinen Lebzeiten keine Ehre gezollt.«
    Sie und auch Eadulf wandten sich um und machten sich auf den Rückweg zur Abtei. Gormán blieb noch wenige Augenblicke stehen, die Hand wie zuvor am Griff des Schwertes, dann drehte er sich ebenfalls um und folgte den beiden.
    »Ein erbärmlicher Haufen«, befand er, als er sie einholte. »Scheinen von ihrem Arbeitgeber nicht viel zu halten.«
    »Vielleicht haben sie ihre Gründe«, bemerkte Fidelmanüchtern. »Zumindest einer hatte Grund genug, ihn umzubringen.«
    »Ich erkenne einfach keinen Zusammenhang zwischen dem Tod von Glassán und dem von Donnchad, wenngleich beide Morde etwas miteinander zu tun haben müssen«, grübelte Eadulf laut.
    »Vielleicht suchen wir an der falschen Stelle einen Zusammenhang«, erwiderte sie. »Da fällt mir ein, wir sollten uns endlich Glassáns
cubiculum
näher anschauen. Du musst nicht mitkommen, Gormán, aber bleib in der Nähe, könnte sein, wir brauchen dich.«
    Auf ihrem Weg zum Gästehaus begegneten sie niemand weiter. Bruder Máel Eoin, der für die Herberge zuständig war, war gerade nicht anwesend. Doch sie wussten, Glassán hatte ein
cubiculum
am äußersten Ende des rechteckigen Gebäudes bewohnt, in dem auch sie untergebracht waren. Jetzt lag das Haus völlig verlassen da. Mit raschem Blick vergewisserten sie sich, dass vor ihnen noch niemand da gewesen war. Die Ausstattung des Raums war außergewöhnlich spärlich. Wenn Glassán hier tatsächlich fast drei Jahre gehaust hatte, dann war ihm an Behaglichkeit wenig gelegen gewesen.
    An einer Wand hing ein Kruzifix, aber das war auch der einzige Farbtupfer im Raum. Das Mobiliar bestand aus einem Bett, einem Tisch, einem Stuhl und einer Truhe. Auf dem Bett lag eine unordentlich zusammengelegte Decke. In einer Ecke hingen ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln, und in einer anderen waren zwei Paar Lederschuhe, wie sie Bauleute trugen, abgestellt. An der Wand standen zwei Amphoren, beide leer, doch der Geruch schalen Weins entströmte ihnen noch. Auf der Truhe fand sich alles Mögliche – eine Laterne, ein paar Kerzen und Kerzenstummelund eine Zunderbüchse. Beschriebene Papyrusrollen mit Listen, Zeichnungen und Entwürfen lagen auf dem Tisch herum.
    »Pläne der neuen Gebäude«, verkündete Eadulf, der sie sich näher ansah.
    »Gehe sie sorgfältig durch, Eadulf, sie könnten Aufschlussreiches enthalten«, bat Fidelma und widmete ihre Aufmerksamkeit der Truhe. Sie räumte die Kerzen und die anderen Gegenstände herunter und versuchte, den Deckel aufzumachen. Die Truhe war verschlossen.
    »Hast du zufällig gesehen, ob Glassán einen Schlüssel bei sich trug?«
    Eadulf sah von den Skizzen auf und schüttelte den Kopf. »Er hatte nichts an, worin er einen Schlüssel oder etwas Ähnliches hätte verstauen können.«
    Fidelma schaute sich in der Zelle um, ging zum Kopfende des Bettes und hob das Kissen an, beugte sich tiefer und zerrte den Strohsack hoch. Darunter lagen zwei Schlüssel und eine Geldbörse. Sie schürzte die Lippen und murmelte: »Konnte gar nicht anders sein.« Einer der Schlüssel musste zur Truhe passen; sie ging zu ihr zurück, probierte, welcher der richtige war, und öffnete sie.
    Zuerst glaubte sie, nur Kleidungstücke und weitere Baupläne vor sich zu haben. Dann aber entdeckte sie am Boden der Truhe etliche Lederbeutel. Sie waren prall gefüllt mit Gold- und Silbermünzen. Eadulf, der die Papiere auf dem Tisch durchgegangen war, trat zu ihr, blickte ihr über die Schulter und stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Ist das sein eigenes Geld oder sollte er damit die Arbeiter bezahlen?«, fragte er.
    »Die Arbeiter hat Bruder Lugna bezahlt, nicht Glassán. Es ist sein Geld, und er hat eine ansehnliche Summe zusammengebracht.«
    Sie zählte drei solcher Lederbeutel, und sie wogen in der Hand reichlich schwer. Dann entfuhr ihr ein Ausruf der Überraschung. Sie bückte sich und beförderte eine kleine Schriftrolle, die mit einem farbigen Band zusammengehalten war, zutage. Sie knüpfte das Band auf und strich das Pergament glatt. Es war in der Sprache der fünf Königreiche beschrieben und hatte zur Überschrift
Cendaite Glassán
.
    »Glassáns Letzter Wille?«, rätselte Eadulf, denn ihm war das Wort nicht geläufig.
    Fidelma nickte, sie bemühte sich bereits, den Inhalt des Schriftstücks zu

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