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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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jetzt einfach weggehen, zahlt uns niemand unseren Lohn. Und eine Schlichtung dauert ewig.«
    Saor widersprach. »Auf dem Baugelände sind zu viele Unfälle geschehen. Wir schulden Glassán keine Treue. Vielleicht trägt er sogar die Verantwortung für unser Unglück. Schließlich war er der Baumeister, er hatte die Oberaufsicht und hätte für unsere Sicherheit sorgen müssen. Nun ist er aber tot, und wir haben keinen, der sich für uns einsetzt …«
    »Du bist der zweite Mann, sein Gehilfe, also bist du jetzt verantwortlich für uns«, mischte sich ein anderer Arbeiter ein.
    »Und ich erkläre hiermit, dass ich gehe«, entgegnete Saor erbost. »Ich verspüre keine Lust, mich …«
    Fidelma griff ein und brachte das erregte Stimmengewirr zur Ruhe.
    »Ihr solltet alle hierbleiben, bis das Problem geklärt ist. Nicht mehr lange, und die Vorgänge, die zu Glassáns Tod geführt haben, sind offen gelegt. Den Vertrag, den ihr mit der Abtei habt, wird man lösen. Ihr könnt also bleiben oder gehen; der Lohn, der euch zusteht, muss gezahlt werden. Mir scheint allerdings, ihr seid euch nicht einig, ob ihr jetzt bleibt oder nicht …«
    »Wir sind uns sehr wohl einig, Schwester. Wir gehen, ob mit oder ohne Geld, unseres Bleibens ist hier länger nicht.«
    Fidelma las Zweifel in den Gesichtern.
    Ihr reichte es. »Wie ihr wollt. Da ihr meinen Vorschlag ablehnt, sehe ich mich zu einer Anordnung gezwungen.«
    Saor stutzte. »Eine Anordnung?« Er lachte kurz auf. »Mit welchem Recht willst du uns etwas befehlen?«
    Fidelma strafte ihn mit einem langen, kühlen Blick und wartete, bis sich die Heiterkeit, die durch die Schar der Bauarbeiter gegangen war, gelegt hatte.
    »Einige von euch wissen, dass ich in die Abtei kam, um den Tod von Bruder Donnchad zu untersuchen. Nehmt alsozur Kenntnis, dass ich eine
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bin, Anwältin beim Obersten Gericht im Range eines
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, dessen Entscheidungen sich selbst der Hochkönig beugen muss.«
    Angespannte Stille. Etliche Männer hatten gewusst, dass sie wegen einer Untersuchung in die Abtei gekommen und so etwas wie eine Anwältin war, hatten aber nichts von ihrem Rang geahnt, den sie im Rechtswesen einnahm.
    Mit einem Blick zu Gormán fuhr sie fort: »Das Symbol, das dieser Krieger trägt, dürfte euch nicht unbekannt sein. Es weist ihn als Angehörigen der Nasc Niadh aus, der Leibgarde des Königs von Muman. Und ihr sollt weiterhin wissen, dass ich Fidelma von Cashel bin, Schwester eures Königs Colgú mac Failbe Flann. Ein Mensch ist hier getötet worden, und ich erkläre euch allesamt zu Zeugen. Ihr werdet als solche hierbleiben, andernfalls drohen euch Strafen wegen Missachtung der Festlegungen im Gesetzbuch des Fénechus. Ein jeder von euch bleibt hier, bis die Vorkommnisse geklärt sind.«
    In Saors Gesicht wechselten Verwunderung und Verwirrung.
    »Das kannst du nicht tun«, wehrte er sich, wenn auch ein wenig verunsichert.
    »Ich kann das sehr wohl. Auf der Grundlage der Bedingungen, wie sie im
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nachzulesen sind, erkläre ich euch alle zu Zeugen. Ihr werdet alle als Zeugen aufgerufen, eure Pflicht, vor Gericht zu erscheinen, wird eurem Ehrenpreis gleichgesetzt. Solltet ihr nicht erscheinen, wenn ich euch zum gegebenen Zeitpunkt dazu auffordere, habt ihr euren Ehrenpreis verwirkt.«
    »Das kannst du nicht tun«, wiederholte Saor kopfschüttelnd, aber überzeugt klang es nicht.
    »Wetten, ich kann?« Fidelma lächelte ihn böse an. »Glas sáns Liste mit euren Namen ging – völlig zu Recht – an den Verwalter der Abtei; glaubt also ja nicht, man wüsste nicht eure Namen. Solltet ihr an dem Tag, den ich für die Anhörung des Falles festlege, nicht erscheinen, werden euch die Krieger meines Bruders aufspüren und mit Gewalt einem Brehon vorführen, wo ihr dann eures Ehrenpreises verlustig geht.«
    Immer noch standen die Männer schweigend da, bis schließlich einer erklärte: »Gut, wir bleiben.«
    »Großartig«, erwiderte Fidelma in leicht ironischem Ton. »Denkt nicht, ich wollte euch aus einer puren Laune heraus gegen euren Willen hierbehalten. Das Gesetz kann hart sein, aber es ist und bleibt das Gesetz.«
    » Dura lex, sed lex
«, bekräftigte Eadulf mit strenger Miene.
    »Soviel ich weiß, bereitet der Arzt den Leichnam eures Baumeisters für die Bestattung um Mitternacht vor. Ich könnte mir denken, dass einige von euch zur Totenwache gehen werden?«
    Statt einer Antwort hörte man nur ein Scharren von Füßen. Fidelma wartete eine Weile und meinte dann:

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