Der Blutkelch
Donnchad.«
»Davon habe ich gesprochen, ja.«
»Mit dem Umbau wurde aber schon vor drei Jahren begonnen«, bemerkte Eadulf. »Als du damals Bruder Lugna damit beauftragtest, bist du da vielleicht davon ausgegangen, Donnchad würde von seiner Pilgerreise nicht heimkehren?«
Lady Eithne holte geräuschvoll tief Luft.
»Du hast Glück, dass du dich als Gast in meinem Haus befindest, Eadulf von Seaxmund’s Ham.« Eisiger konnte eine Stimme nicht klingen.
»Was Eadulf zum Ausdruck bringen wollte, war, dass das Bauvorhaben wohl nicht von Anfang an deinem Sohn gewidmet war«, mischte sich Fidelma rasch ein. »Du musst schon entschuldigen, er drückt sich in unserer Sprache manchmal ungeschickt aus, weil sie ihm nicht so geläufig ist.« Natürlich war das gelogen, Eadulf beherrschte die Sprache nahezu perfekt. Er wunderte sich zu Recht über den Zeitpunkt von Lady Eithnes Entscheidung, die Abtei zum Gedenken an ihren Sohn umgestalten zu lassen.
Fidelmas Bemerkung hatte die Lady beschwichtigt. »Der Gedanke, die Abtei mit neuen Gebäuden zu versehen, wurde vor der Rückkehr meines Sohnes geboren«, erklärte Lady Eithne. »Erst nach Donnchads Tod beschloss ich, das gewaltige Vorhaben ihm zu widmen.«
»In der Bruderschaft herrscht die Auffassung vor, dieNeugestaltung sei eine Idee von Bruder Lugna gewesen«, äußerte Eadulf, der sich von der Drohung der Lady nicht beirren ließ.
»Das kann durchaus sein«, gab sie kühl zu. »Bruder Lugna ist ein wahrhaft kluger und weitsichtiger junger Mann. Ich stimme mit allem völlig überein, was er sagt und tut.«
»Was mich verwundert, ist, warum du das ganze Vorhaben nicht mit Abt Iarnla besprochen hast«, sagte Fidelma.
»Abt Iarnla ist seit langem in der Abtei und ist in seinen Auffassungen äußerst konservativ. Ich habe bereits versucht, dir das verständlich zu machen. Er wäre froh, wenn alles so bliebe, wie es ist, oder besser, wie es immer war. Er ist auf Lugna und dessen Vorstellungen, die auch die meinigen sind, nicht gut zu sprechen. Bevor ich sterbe, würde ich gern all die stattlichen Bauten von Lios Mór als leuchtendes Wahrzeichen des Glaubens erleben, als ein Wahrzeichen, das nicht nur hier, sondern überall in der Christenheit anerkannt wird. Ich bin sicher, dein Bruder, der König, wird ein derartiges Bekenntnis für den Glauben in seinem Königreich gutheißen. Ein Bekenntnis, das alle Zeiten überdauert.«
» Nihil aeternum est
«, entfuhr es Eadulf, ehe er sich eines Besseren besinnen konnte. »Nichts währt ewig.« Ein weiteres Mal zog er sich Lady Eithnes Zorn zu.
»Du enttäuschst mich, Bruder Eadulf. Von einem Mann in Mönchstracht hätte ich etwas anderes erwartet. Der Glaube ist das Einzige, das alles überdauern wird, und was hier entsteht, wird sein größtes Monument sein. Davon bin ich fest überzeugt.«
»Selbstverständlich«, pflichtete ihr Fidelma bei und bedachte Eadulf mit einem warnenden Blick. »Die Gebäude von Lios Mór sind schon jetzt sehr beeindruckend.«
Lady Eithne schien wieder besänftigt.
»Bruder Lugna ist ein ungemeiner Gewinn für die Abtei. In ein paar Jahren wird Lios Mór in aller Munde sein. Ich bin einfach dankbar, dass ich an diesem grandiosen Aufbauwerk teilhaben kann.«
»Die Großzügigkeit, die du der Abtei gegenüber an den Tag legst, verdient in der Tat Anerkennung«, bekräftigte Fidelma.
»Steht nicht im Edikt des Konzils von Nicäa geschrieben, dass in jedem Ort Häuser zum Ruhme des Glaubens errichtet werden sollten?«
»Aber das war wohl in erster Linie gedacht, um …«, fing Eadulf an, kam jedoch nicht weiter, weil Fidelma ihm ins Wort fiel.
»Schon wahr, Lady, Lios Mór hat dir viel zu verdanken.«
Dass es vorrangig eine Bemerkung war, um Eadulf zum Schweigen zu bringen, schien Lady Eithne nicht aufgefallen zu sein, denn sie redete sofort weiter: »Ich befolge nur die Lehren von Bruder Lugna. Er sagt, der heilige Timotheus hätte gepredigt, die Reichen sollten mit offenen Händen für den Glauben spenden, auf diese Weise würden sie sich einen guten Platz im Himmel verschaffen.«
Abermals warf Fidelma Eadulf einen warnenden Blick zu; sie wollte verhüten, dass er die gute Dame in ihrer Auslegung der Lehren des Timotheus von Ephesus zu korrigieren versuchte.
»Du kannst dich glücklich schätzen, als Leitfigur in solchen Dingen Bruder Lugna zu haben«, stellte sie trocken fest.
»Fürwahr. Er hat frischen Wind aus Rom mitgebracht. Die Auffassungen hier sind entschieden zu lasch und
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