Der Blutkelch
Herrn, übermittelt von den zwölf Aposteln an die Heiden‹. Es soll kurz nach deren Tod geschrieben worden sein.«
»Ihr findet es in unserer
tech-screptra
«, bestätigte der Schmied noch einmal. »Ich wollte mit dem Zitat ja nur betonen, wie sich das Zusammenleben in unserer Gemeinschaft darstellen sollte. Auch der heilige Tertullian hat gelehrt: ›Wir, die wir in Geist und Seele eins sind, haben keine Bedenken hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Eigentums.‹«
»Gut. Wir sollten aber wieder zum Thema Schloss und Schlüssel zurückkehren«, drängte Fidelma. »Man hat dich also gebeten, für Bruder Donnchad das Schloss und einen Schlüssel anzufertigen.«
Bruder Giolla-na-Naomh nickte.
»Könntest du dich über den Auftrag etwas ausführlicher äußern?«
»Das Schloss sollte ein
glais iarnaidhi
, ein Eisenschloss werden. Bruder Lugna gab mir zu verstehen, es ginge um eine Sonderanfertigung, das Schloss dürfte keinem anderen in der Abtei gleichen. Ich denke, das ist mir gelungen.«
»Das kann ich nur bestätigen, ich habe bisher keine Arbeit dieser Art gesehen«, gab sie zu. »Und der Schlüssel?«
»Ich wurde angewiesen, nur einen Schlüssel anzufertigen.«
»Was du auch getan hast.«
»Selbstverständlich.«
»Du hast das Schloss eigenhändig eingebaut?«
»Ja.«
»Und den einzigen Schlüssel gabst du wem?«
»Bruder Donnchad.«
»Man hat mir gesagt, der Schlüssel hätte neben Bruder Donnchads Leichnam gelegen. Ich hoffe, er ist nicht verlorengegangen.«
»Ich habe ihn bei mir.« Bruder Giolla-na-Naomh griff in seinen Lederbeutel, den er am Gürtel trug, beförderte einen Schlüssel zutage und reichte ihn ihr. Er war aus Eisen und an die drei Zoll lang. Fidelma fand anerkennende Worte für die gediegene Handarbeit. Am Schlüsselbart waren mehrere Zacken von unterschiedlicher Länge in unregelmäßigen Abständen; der Griff am oberen Ende war so geformt, dass man ihn gut zwischen Daumen und Zeigefinger haltenkonnte, auch war er mit einem spiralenförmigen Muster geprägt. Er fasste sich etwas schmierig an, was sie stutzig machte, doch gab sie ihn dem Schmied zurück.
»Du kannst bestätigen, dass es sich um eben den Schlüssel handelt, den du für das Schloss angefertigt und neben dem Leichnam gefunden hast?«
»Ja.«
»Und du bestätigst mir auch auf Ehre und Gewissen, dass es sich bei dem Schloss um ein einmaliges Stück handelt? Dass es, zum Beispiel, von keinem anderen ohne einen Schlüssel – ohne diesen Schlüssel geöffnet werden konnte?«
Er antwortete mit einem schwachen Lächeln: »Niemand kann dafür garantieren, dass ein von Menschenhand hergestellter Gegenstand von der Hand eines anderen Menschen nicht wieder zerstört wird. Ist das nicht eine überlieferte Weisheit?«
»Aber es würde eine Weile dauern, so ein Schloss abzumontieren, und außerdem würde es Spuren hinterlassen, wenn sich jemand daran hätte zu schaffen gemacht, nicht wahr?«
»Ich kann nur so viel sagen: Ich habe einen Schlüssel angefertigt, der einzig und allein für dieses Schloss passte. Der Schlüssel wurde in der Zelle bei abgeschlossener Tür gefunden. Daraus ergibt sich nur die eine Schlussfolgerung – Bruder Donnchad hat sich selbst eingeschlossen. An dem Schloss hat sich niemand zu schaffen gemacht, denn auf Geheiß von Abt Iarnla habe ich es genau überprüft, nachdem ich die Tür gewaltsam geöffnet hatte. Das Schloss hatte ich nicht beschädigt, nur das Holz am Türpfosten, wo ich gegengetreten hatte, war gesplittert.«
»Das kann ich gut nachvollziehen.« Sinnend betrachtete sie den Schlüssel in ihrer Hand, zog die Stirn in Falten undfragte plötzlich: »Wie erklärt sich die fettig glänzende Oberfläche? Musst du den Schlüssel einölen, damit er nicht hakt?«
Der Schmied besah sich den Schlüssel näher.
»Geölt werden muss der nicht. Das Schloss funktionierte einwandfrei, als ich es ausprobierte. Aber Öl ist das auch nicht. Sieht mehr wie Wachs aus. Wäre durchaus möglich – Bruder Donnchad hat Kerzenwachs darauf tropfen lassen. Das kann leicht passieren. Eine Kerze am Bett, gleich daneben liegt der Schlüssel …«
»Bewahre du das Schloss für mich auf, und ich behalte den Schlüssel«, sagte sie und steckte ihn in ihr
marsupium
.
»Das will ich gern tun«, erwiderte er, »aber es wäre mir lieb, wenn du Bruder Lugna nichts davon sagst, es sei denn, du kannst nicht umhin.«
Fidelma und Eadulf sahen ihn verwundert an.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Heute früh vor dem
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