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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gegrüßt, Schwester Fidelma«, rief der Riese dröhnend. So kräftig und robust wie sein Körperbau war auch seine Stimme. »Ich habe dich und Bruder Eadulf gestern Abend im
refectorium
gesehen. Ich bin Bruder Giolla-na-Naomh.«
    Fidelma und Eadulf erkannten den Schmied als einen von denen, die am Abend zuvor am Tisch des Abts gesessen hatten. Ein Schmied von dem Rang wie seinem gebührte nach dem Abt, seinem Verwalter und Bibliothekar ein entsprechender Platz in der Hierarchie des Klosters.
    Der kräftige Mann mit dem zerzausten schwarzen Bart grinste sie frohgemut aus blauen Augen an. Er gab erst dem einen, dann dem anderen die massige Hand.
    »Es freut mich, euch hier begrüßen zu können«, sagte er, »schade nur, dass ihr aus einem so traurigen Anlass kommt.«
    »Wir teilen dein Bedauern, Bruder Giolla-na-Naomh«, erwiderte Fidelma, »und danken für deinen Willkommensgruß.«
    »Bring mir das Metallschloss von dem Regal hinter dir«, rief der Schmied seinem Lehrling zu. Als er es ihm brachte, bedachte er ihn mit weiteren Anweisungen. »Schütte im Ofen
cual craing
nach, damit er die Temperatur hält.«
Cual craing
bedeutete wörtlich übersetzt »Kohle aus Holz«.
    Der Schmied widmete sich wieder seinen Gästen und wies auf eine Steinbank, die nicht weit von der Schmiede im Schatten einer Eibe stand.
    »An einem Tag wie heute ist es am Ofen zu heiß. Suchen wir uns lieber ein kühleres Plätzchen unterm Baum. Auf der Bank dort sitzt es sich bequem. Bruder Lugna hat michgestern Abend davon unterrichtet, dass du mich befragen möchtest.«
    »Ja, über das Schloss«, bestätigte Fidelma. Sie ließ sich auf der Steinbank nieder, während Bruder Giolla-na-Naomh sich ihr gegenüber im Schneidersitz auf die Erde setzte. Eadulf blieb, gegen den Baum gelehnt, stehen. Der Baulärm, der aus dem Hintergrund zu ihnen drang, war ein wenig störend, wurde aber vom Schmied nicht weiter beachtet.
    Bruder Giolla-na-Naomh schaute sich suchend um. »Ich hatte euch nicht allein, sondern mit dem Verwalter erwartet.«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Fidelma neugierig.
    Er grinste. »Nur so. Unser Verwalter möchte zu gern über alles Bescheid wissen, was sich bei uns so tut. Er ist jung und schnell zu dem Posten des
rechtaire
gelangt. Keine drei Jahre ist er hier und glaubt, er hat das Sagen über uns alle.«
    »Erzähl uns alles über das Schloss«, forderte Fidelma ihn auf, hielt aber im Stillen für sich fest, dass der Schmied offensichtlich keine große Sympathien für den Verwalter hegte.
    Der Schmied zuckte mit den breiten Schultern und reichte ihr das Schloss. Sie sah auf den ersten Blick, dass Bruder Giolla-na-Naomh kein Neuling in seinem Fach war und sie ein sauberes Stück Arbeit in Händen hielt.
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es war Bruder Lugna, der kam und mir den Auftrag erteilte. Bruder Donnchad wünschte die Anfertigung eines Schlosses mit Schlüssel, das in die Tür seiner
cotultech
…, Verzeihung,
cubiculum
wollte ich sagen, eingepasst werden sollte. Ich habe meine Schwierigkeiten mit den neuen lateinischen Begriffen, auf die Bruder Lugna so großen Wert legt.«
    »Hast du dich über seinen Auftrag gewundert?«, wollte Eadulf wissen.
    »Da habe ich schon ganz andere Aufträge erhalten«, meinte der Schmied schmunzelnd. »Aber es war natürlich für eine Gemeinschaft wie die unsere ein ungewöhnliches Anliegen, schließlich beruhen unser Glaube und unsere ganze Lebensweise auf gegenseitigem Vertrauen.«
    »Im Allgemeinen besteht wohl keine Notwendigkeit, etwas wegzuschließen? Und es gibt generell keine Schlösser an den Türen?«
    »Selbstverständlich nicht. Wir sind eine arme Gemeinschaft. Heißt es nicht im
Didaché:
›Teile alles mit deinem Bruder. Sage nicht, es sei persönliches Eigentum. Wenn du Immerwährendes mit anderen teilst, wird es dir umso leichter fallen, Vergängliches zu teilen.‹ Das stimmt doch Schwester, nicht wahr?«
    Fidelma sah ihn überrascht an. »Du hast
Didaché
gelesen? An das Werk ist ganz schwer heranzukommen, ich habe es nur einmal gesehen.« Es klang fast neidisch.
    »In unserer
tech-screptra
befindet sich eine Abschrift des griechischen Textes, und man hat uns versichert, es handele sich um eine der grundlegenden Schriften des Glaubens.«
    »Es ist ein alter griechischer Text und ist unter dem Titel
Didaché
bekannt«, erklärte Fidelma rasch dem etwas ratlos dreinschauenden Eadulf. »Das heißt so viel wie ›Lehre‹, der vollständige Titel ist ›Die Lehre des

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