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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Fähigkeit zu schlussfolgern, bei unseren vielen gemeinsamen Ermittlungen so erfolgreich gewesen? Denk doch nur an die Zeit, da du dir die Gesetze des Fénechus schon so weit erarbeitet hattest, dass du mich erfolgreich verteidigen konntest, als ich zu Unrecht des Mordes angeklagt war! Wer von denen, die von Gewicht in diesem Königreich sind, erweist dir nicht seine Achtung? Mein Bruder, der König, achtet dich, das gilt auch für fast alle aus dem Adel von Muman. Abt Ségdae von Imleach achtet dich, ebenso die meisten Geistlichen von Muman. Selbst der Hochkönig weiß um deine Fähigkeiten und schätzt sie.«
    Eadulf schwieg einen Augenblick, ehe er bekannte: »Ich habe manchmal das Gefühl, dass mir von dem einen Menschen, der mir am meisten am Herzen liegt, keine Achtung entgegengebracht wird.«
    Sie sah ihn lange und eindringlich an. Dann leuchteten ihre Augen plötzlich auf, und sie versicherte ihm: »Das tut mir aufrichtig leid. Ich will gern versuchen, mein Temperament zu zügeln, aber ich kann nicht aufhören, Anwältin zu sein. Es schien mir seinerzeit eine gute Entscheidung, ins Kloster von Cill Dara zu gehen, aber ich merkte bald, dass es nicht das Rechte für mich ist. Jung und unerfahren, wie ich war, wusste ich eine Zeitlang nicht, welchen Weg ich einschlagen sollte. Jetzt aber weiß ich, was ich will. Ich möchte eine
dalaigh
sein, eine Anwältin. Ich kann nicht anders.«
    »Bereust du die Zeit mit mir, wie du deine Zeit in der Gemeinschaft von Cill Dara bereust?«, fragte Eadulf.
    Sie schüttelte heftig den Kopf.
    »Es ist genau das, was mich quält, Eadulf. Der Gedanke, dass wir einen so langen Weg gemeinsam gegangen sind, der unter Umständen bald ein Ende hat. Ich möchte dich nicht verlieren. Du wirst für immer mein Seelenfreund, mein
anam chara
, sein. Wenn du gehst, stirbt meine Seele. Aber wenn ich gezwungen werde, das aufzugeben, was ich als meine Lebensaufgabe sehe, dann stirbt mein Herz. Welche Wahl habe ich also?«
    Eadulf wusste nicht recht, was er antworten sollte; zu vieles ging ihm durch den Kopf.
    »Was würdest du in einer Klostergemeinschaft tun wollen, Eadulf?«, fragte sie ihn, als er nichts sagte.
    »In einer Klostergemeinschaft gibt es Sicherheit.«
    »Sicherheit?« Fidelma musste lachen. »Sieh dir doch die Gemeinschaft hier an und die vielen Gemeinschaften, zu denen man uns gerufen hat, weil sie unserer Hilfe bedurften. Verdammt wenig Sicherheit ist hier.«
    Er schmunzelte, denn in gewissem Sinne widersprach er ihr schon wieder. »Ich meine Sicherheit im Sinne der Stellung, die man innehat, oder die Sicherheit, sein Essen auf den Tisch gesetzt zu bekommen.«
    »Haben wir nicht genügend Sicherheit in Cashel? Ist unser Können nicht weit und breit gefragt? Einmal werden wir nach Tara gerufen, um den Tod des Hochkönigs aufzuklären, ein anderes Mal führt uns der Weg nach Autun in Burgund als Ratgeber für ein Konzil. Jetzt sind wir hier in Lios Mór, weil man uns abermals braucht. Wer weiß, wohin wir unsere Schritte noch lenken? Dabei sollten wir nicht die Worte von Horaz vergessen –
vestigia nulla retrorsum
– keine Schritte zurück. Uns bleibt noch viel zu tun, um die Nachforschungen hier zu Ende zu führen, aber wenn wir soweit sind, reden wir über unsere Zukunft, das verspreche ich dir. Wir wissen, was jedem von uns vorschwebt, und wir müssen sehen, wie wir unsere Vorstellungen – auch im Sinne unseres Sohnes – in Einklang bringen.«
    Eadulf zwang sich zu einem matten Lächeln.
    »Das müssen wir tun, ja. Und da du Horaz zitierst, möchte ich mich auch auf ihn beziehen, ein Rat für uns beide:
ira furor brevis est: animum rege; qui nisi paret, imperat .«
    Sie überlegte kurz und legte ihm dann eine Hand auf den Arm. »Ein guter Spruch, Eadulf. Zorn ist ein Anfall von Wahnsinn, wir sollten seiner beide Herr werden, ehe er uns beherrscht. Doch ich glaube, es ist an der Zeit, ins Gästehaus zurückzugehen und uns für das abendliche Mahl herzurichten.«
    Sie wandte sich um und ging die Stufen der Kapelle hinunter, blieb aber unvermutet stehen, sodass Eadulf mit ihr fast zusammengeprallt wäre.
    »Ich glaube, du hast einen großartigen Vorschlag gemacht, Eadulf«, sagte sie aufgeregt.
    Er sah sie verblüfft an. »Hinsichtlich der Zornausbrüche und der Möglichkeit, ihrer Herr zu werden?«
    »Sagt man nicht: Im Zorn spricht man die Wahrheit?«
    »Das habe ich nie gehört.«
    »Dann sollten wir diese Redensart eben einführen.« Sie hatte wieder das spitzbübische

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