Der Blutkelch
Lächeln, das er so an ihr liebte. »Ich habe eine Idee …«
Die konnte sie nicht mehr erläutern, denn Gormán kam über den Innenhof und rief schon von weitem.
»Ich habe euch gesucht«, sagte er, als sie beieinander standen.
»Gibt es etwas Besonderes?«, forschte Fidelma, der die Erregung des Kriegers nicht entging.
»Ich habe mit dem
echaire
, dem Stallmeister, geplaudert, es ging um die Bauarbeiter.«
»Du hattest wohl nach Glassáns Wortschwall gestern Abend von Bauarbeiten noch nicht genug?«, spöttelte Eadulf, der zu seiner humorigen Art zurückgefunden hatte.
»Es ging in der Tat um Glassán. Wusstet ihr, dass Bruder Echen aus Laighin stammt?«
»Wussten wir nicht«, erwiderte Fidelma ernst«, aber schön zu hören, dass er als Stallmeister auch einen passenden Namen hat.«
Echen bedeutete eigentlich »Ross«.
Gormán ließ sich durch ihre Bemerkung nicht ablenken. »Sein Vetter scheint der
táisech scuir
zu sein, der Mann, der für die Stallungen des Königs von Laighin verantwortlich ist.«
»Berührt uns das irgendwie?«, fragte Fidelma.
»Und ob. Wusstest du, dass Glassán den Rang eines
ollamh
hatte?«
Ollamh
war der höchste Grad für gehobene Berufe, den man in den fünf Königreichen erlangen konnte.
»Mich wundert nur, dass er uns davon nichts erzählt hat«, sagte Fidelma. »Er war doch nicht gerade zurückhaltend, was seine Verdienste angeht. Dass die Abtei einen anerkannten Baumeister eingestellt hat, überrascht mich nicht.«
Gormán grinste. »Doch es dürfte dich überraschen, dass Freund Glassán Baumeister beim König von Laighin war.«
»War?«, fragte Eadulf verwundert. »Ich dachte immer, wenn man erst mal Baumeister beim König ist, dann ist das eine Lebensstellung. Er ist doch noch nicht alt genug, um sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen.«
»Er muss den Posten ja nicht unbedingt aufgegeben haben«, griff Fidelma ein. »Normalerweise ist der
ollamh
Baumeister unmittelbar dem König unterstellt und leistet seine Dienste zu einer festgeschriebenen Entlohnung von sieben
cumals
im Jahr, das entspricht einundzwanzig Milchkühen. Er darf darüber hinaus aber auch Aufträge aus der Öffentlichkeit übernehmen. Vermutlich hat er die Arbeit hier zusätzlich zu seinen Verpflichtungen beim König von Laighin übernommen. Ich muss allerdings zugeben, dass es merkwürdig ist, wegen eines Auftrags das eigene Königreich zu verlassen und in das von Muman zu gehen.«
»Du irrst, Lady«, entgegnete Gormán. »Bruder Eadulf wundert sich nicht zu Unrecht. Nach einem gemeinsamen Krug
korma
wurde Bruder Echen ziemlich gesprächig. Sein Vetter, der beim König von Laighan im Dienst steht, hat ihm nämlich etwas sehr Aufschlussreiches über Glassán erzählt.«
»Mir wäre lieb, wenn du endlich zur Sache kämst«, mahnte ihn Fidelma gereizt und fügte mit einem entschuldigenden Blick zu Eadulf hinzu: »Wenn du nichts dagegen hast.«
»Glassán fiel vor einigen Jahren beim König von Laighin in Ungnade und wurde entlassen. Er war mit dem Bau und der Aufsicht über die Bauarbeiten zu einer Gästeherberge im Burghof irgendeines Verwandten des Königs beauftragt gewesen. Das Gebäude stürzte ein. Mehrere Menschen, darunter ein Bauarbeiter, kamen zu Tode.«
Eadulf pfiff leise durch die Zähne und schaute nervös nach der Kapelle hinter ihnen, aus der sie gerade gekommen waren.
»Und was geschah dann?«, fragte Fidelma, die jetzt hellhörig geworden war.
»Er wurde vor den Brehon des Königs gebracht. Dort hieß es, seine Aufgabe wäre es nicht nur gewesen, das Gebäude zu entwerfen, sondern auch, das Baugeschehen zu überwachen. Letztere Aufgabe hätte er vernachlässigt. Erhatte sie seinem Gehilfen übertragen, und der hatte zu schwache Grundpfeiler setzen lassen oder sie nicht richtig gesetzt.«
»Und man hat ihn nicht zur Verantwortung gezogen?«
»O doch. Ihm wurde mangelnde Beaufsichtigung der Bauarbeiten in jedem Stadium vorgeworfen. Der Gehilfe musste an die Familien den Ehrenpreis der tödlich Verunglückten zahlen, Glassán selbst wurde ebenfalls für schuldig befunden; er musste dem König die Gerichtskosten erstatten, und der Grad eines
ollamh
wurde ihm aberkannt.«
»Und nun darf er hier in der Abtei bauen?« Eadulf konnte es kaum fassen.
»Weiß Bruder Echen, wie er das geschafft hat?«
»Wie Glassán den Auftrag erhielt, hier zu bauen? Offensichtlich ist er auf Einladung von Bruder Lugna hier.«
»Hat Bruder Echen den Abt über die Geschichte informiert?«
»Er
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