Der Blutkönig: Roman (German Edition)
nicht sehen konnte, ich habe seine Stimme gehört. Ich kannte die Stimme, es war dieselbe, die ich auch beim Wahrsagen gehört habe. Es war Arontala.« Sie sah Vahanian an und wusste, dass er die Angst in ihren Augen sehen konnte. »In meinem Traum hat Tris Arontala besiegt, aber dann habe ich gesehen, wie Tris fiel …« Sie schluckte hart und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen.
Vahanian hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. »Sieh mal, du hast selbst gesagt, dass derartige Magie bei dir nicht funktioniert. Vielleicht war es nur ein schlechter Traum.«
Kiara war nicht überzeugt. »Vielleicht, ich hoffe es.« Sie stand auf und streckte sich. »Die zwölfte Stunde schlägt gleich. Ich glaube, ich sollte endlich meine Räume aufsuchen.« Sie blieb an der Tür stehen. »Ich habe Angst zu schlafen. Ich habe Angst zu träumen.«
»Das Gefühl kenne ich.«
Kiara dachte kurz über diesen Satz nach und nickte dann. »Irgendwelche Vorschläge?«
»Nun, du kannst versuchen, dich zu betrinken oder die ganze Nacht wachzubleiben, aber das funktioniert nicht lange. Jeder muss früher oder später schlafen. Die Zeit hilft. Aber nicht so gut, wie die Heiler immer behaupten.«
»Gute Nacht«, sagte sie und ging hinein. »Danke für den Wein.«
»Schlaf gut«, murmelte Vahanian. Als sie gegangen war, öffnete er den Weinschlauch und nahm einen tiefen Schluck. Auch wenn der Abend kälter geworden war, Vahanian ging nicht sofort hinein. Er wartete, bis er den Wein ausgetrunken hatte und zu erschöpft war, um wach zu bleiben. Er verließ sich darauf, dass der Wein und die Erschöpfung dafür sorgen würden, dass er zu müde für Träume war.
Doch die Träume fanden ihn trotzdem.
D AS STÄNDIGE Ü BEN und Planen konnte Vahanians wachsende Sorge nicht beruhigen. Tris und Carina waren nun schon zwei volle Wochen in der Zitadelle der Schwesternschaft. Keiner – nicht einmal Staden – hatte von ihnen gehört. Die Tage vergingen und er konnte sehen, dass sich auch Kiara Sorgen machte. Ihr Kampfstil wurde unkonzentriert. Sie wirkte die ganze Zeit geistesabwesend und mit den Gedanken woanders.
Er konnte nur wenig tun, um sie zu trösten. Kiara und Tris gingen mit ihrer Zuneigung zueinander offen um, aber sein Verhältnis zu Carina war wesentlich empfindlicher. Und obwohl Vahanian sich selbst gegenüber endlich zugeben konnte, dass er sich in die dunkelhaarige Heilerin verliebt hatte, blieb er dennoch unsicher darüber, ob Carina seine Gefühle erwiderte.
Also begegnete er eines späten Abends der unerwarteten Nachricht, dass Tris und Carina aus der Zitadelle zurückkehren würden, nur mit sorgfältiger Reserviertheit. Sie kamen in einer geschlossenen Kutsche, die aufgrund des hohen Schnees auf Kufen gestellt war, begleitet von des Königs Wachen. Nur die Gefährten der Reise und Staden empfingen den Schlitten. Vahanian hielt sich im Hintergrund, willig, den anderen den Vortritt zu lassen. Seine Sorge verstärkte sich, als Tris und Carina den Schlitten verließen.
Tris’ dünne Gestalt war eingefallen. Als seine Kapuze zurückfiel und sein Gesicht freigab, konnte Vahanian die Anzeichen von Schlachtwunden erkennen, die erst kürzlich verheilt waren. Für einen Moment trafen Tris’ grüne Augen die seinen und Vahanian spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Tris’ Blick erinnerte Vahanian an das, was er in den Augen von Kriegsgefangenen gesehen hatte, Männern, die Unaussprechliches gesehen hatten und nie wieder würden gut schlafen können.
Carina lehnte sich schwer auf Tris’ Arm. Ihre schmale Gestalt verschwand beinahe in ihrem schweren Mantel und ihr Gesicht wirkte abgehärmt, mit schwarzen Ringen unter den Augen und einem müden Gesichtsausdruck. Kiara stürzte nach vorn, um beide zu begrüßen und obwohl Vahanian die Worte nicht hören konnte, die gewechselt wurden, war an Kiaras Gesichtsausdruck deutlich abzulesen, dass Tris sie gebeten hatte, sich um die Heilerin zu kümmern. Carina stolperte beinahe, als Kiara sie am Arm nahm. Als sie über ihre Schulter blickte, glaubte Vahanian beinahe, sie hätte in seine Richtung gesehen. Widerwillig sah er sie mit Kiara zu den Treppen hin verschwinden, während sich die anderen um Tris herum drängten.
»Ich verspreche, ich werde euch alles erzählen, was ich kann – morgen.« Tris brachte ein kleines Lächeln zustande, das seine Augen nicht erreichte. »Wir sind bis zur Vettel und wieder zurück gekommen und ich befürchte, dass ich zu nicht mehr viel zu
Weitere Kostenlose Bücher