Der Blutkönig: Roman (German Edition)
sich bewaffnen. Für einige Kerzenabschnitte veranstalteten Soterius und Mikhail Basisübungen in Festungsverteidigung. Sie trennten die, die so aussahen, als könnten sie besser Späherdienste verrichten, von denen, die stark genug waren, um bei der Verteidigung der Tore zu helfen. Zusammen arbeiteten sie mit den Dörflern, bis die späten Abendglocken läuteten.
Als die Glocken verklangen, hielt Soterius inne. Zuerst nahm er an, das entfernte Summen sei ein Geräusch, das die Vögel machten. Aber innerhalb von wenigen Sekunden wurde aus dem Summen ein Dröhnen, eine Macht, die gegen die doppelten Holztore des Hofes schlug. »Da versucht etwas hereinzukommen!«, schrie einer der Dörfler.
Wieder röhrte es wie von einem Sturmwind und etwas hämmerte gegen die Tore. »Seid alle still!«, übertönte Soterius den Lärm. »Ruhig!«
»Wir müssen auf höheres Gelände«, erklärte Soterius mit möglichst ruhiger Stimme. »Lasst uns schnell zur Treppe –«
Die Tore gaben nach.
Ein Schwall eiskalter Luft schwappte durch den Hof und riss einige der Männer beinahe von den Füßen. Während schreiende Dörfler übereinanderfielen bei dem Versuch, die Treppe zu erreichen, begann die Luft zu wirbeln, wurde kälter und kälter. »Ich weiß nicht, was das ist, aber ich werde nicht hierbleiben, um es herauszufinden«, schrie Soterius über das Donnern hinweg. Mikhail versuchte derweil, die letzten Dörfler in das Hauptgebäude der Zitadelle zu bugsieren. Soterius kümmerte sich um ein paar Nachzügler, die panisch versuchten, ihre Habseligkeiten mit sich zu schleppen.
Der Wirbelwind hob den Schutt im Hof auf, wie die Tornados, die die margolanische Ebene von Zeit zu Zeit in Schutt und Asche legten. Stroh, Holzsplitter und Glasscherben wurden durch die Luft geschleudert und bohrten sich in die hölzernen Säulen.
»Na los doch!«, schrie Soterius, der noch immer die Tür offenhielt. Die zwei Nachzügler, die ihre Narretei jetzt erkannten, begannen zu rennen, aber der Weg wurde ihnen von dem Wirbelwind versperrt, der auch Mikhail daran hinderte, einzugreifen.
Soterius’ Augen wurden groß, als die eisige Spirale den Weg der zwei Dörfler in die Freiheit vorauszuahnen schien. Er warf einen Arm hoch, um sich zu schützen, als der Vortex die beiden einhüllte. Ihre Schreie erfüllten die Luft, Blut spritzte auf die Wände des Hofs als der gewaltsame Wind sie in Fetzen riss. Soterius warf sein Gewicht von innen gegen die massiven Türen und betete zur Göttin, dass sie gegen diesen Ansturm standhalten würden. Mikhail war auf einmal neben ihm. Dank seiner übernatürlichen Kraft schafften sie es, die Tür zu verschließen und warfen die Riegel in dem Moment davor, als der Wind dagegen krachte.
»Was war das denn?«, fragte Soterius atemlos. Hinter der Tür heulte der Tornado. In der Halle schrien Babys und Kinder in Angst und Schrecken, während die Dorfbewohner, immer noch ihre Waffen umklammernd, sich flach an die gegenüberliegende Wand gelehnt hatten, ihre Gesichter blass vor Angst.
»Eine Elementare Kraft.« Sie drehten sich um und sahen, dass Fallon hinter ihnen stand.
»Eine was?« Soterius spürte immer noch sein Herz klopfen und atmete tief durch.
»Eine Elementare Kraft«, wiederholte Fallon. »Von einem Magier gerufen.« Sie seufzte. »Vielleicht sollten wir froh sein, dass es keine Elementare Feuerkraft war.«
»Wird die Tür standhalten?«, fragte Mikhail, immer noch darauf gefasst, dass die Kraft durchbrechen könnte.
»Sie besitzt einen Schutzzauber gegen Magie von außen. Das große Außentor haben wir nicht verzaubert, weil das noch nie nötig war.« Sie sah gequält aus. »Wir haben es übersehen.«
»Dann sitzen wir in der Falle«, meinte Mikhail und sah gleichmütig auf Fallon. »Das Wasser verfault, unser Fluchtweg abgeschnitten, unsere Nahrungsquelle begrenzt. Es sei denn, wir finden einen Weg, dieses Ding da zu stoppen.«
»Es gibt einen Weg, aber es ist nicht einfach. Eine Elementare Kraft kann, wenn sie einmal gerufen wurde, nur von dem zerstört werden, der sie gerufen hat oder indem die Konzentration des Magiers gebrochen wird, der sie beschworen hat«, meinte Fallon. Sie sah müde aus. »Ich könnte mir vorstellen, dass der Magier da draußen bei den Soldaten ist. Und unser einziger Weg heraus ist – da die Ställe blockiert sind – der durch die Schlitze der Bogenschützen – und die sind zu eng für Mann oder Kind –, oder der über das Turmdach selbst.«
In Soterius’ Augen
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