Der Blutkönig: Roman (German Edition)
gewesen waren wie die wirbelnden Wasser des Flusses. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und ihre Schultern zuckten, und tiefe, heftige Schluchzer schüttelten sie.
Wie er es fertiggebracht hatte, aufzustehen, wusste sie später nicht, aber er trat hinter sie, drehte sie um und zog sie an sich. Er ließ sie weinen wie ein Kind und strich ihr wortlos übers Haar. Schließlich wurde ihr bewusst, was für ein Schauspiel sie abgab und sie wischte sich mit ihrem Ärmel über die Augen.
»Es tut mir leid«, brachte sie mühsam hervor und ihre Stimme brach.
»Keiner ist unbesiegbar. Glaub mir, ich weiß das.«
»Wir haben keine Zeit für so etwas. Wir haben eine Aufgabe zu erledigen …«
»Lass jemanden anders sie für eine Weile übernehmen.« Er setzte sich auf die Bettkante und zog sie mit sich, seine Kraft ließ nach. Sein Arm glitt um ihre Schultern, er drückte sie an sich und sie entzog sich ihm nicht. »Du hast deinen Teil getan. Hör für eine Weile auf zu rennen.«
»Was macht dich glauben, ich renne?«
»Das haben wir gemeinsam«, antwortete Vahanian.
»Wir sind uns nicht sehr ähnlich.«
»Nein? Lass mal sehen. Stur, eigensinnig, getrieben, unabhängig, arrogant und verdammt gut in dem, was wir tun.« Seine Lippen verzogen sich zu einem trockenen Lächeln. »Du hast recht. Wir haben nichts gemeinsam.«
»Sollte mir das guttun?«
Vahanian schüttelte den Kopf und verzog prompt das Gesicht bei dem Versuch.
»Nein. Das braucht Zeit. Aber wie du ja nicht müde wirst, mir zu sagen, muss man den Heiler nah genug an sich heranlassen, damit er heilen kann.«
»Sakwi will nicht mehr tun, als er bereits getan hat.«
»Ich dachte nicht an Sakwi«, murmelte Vahanian. Sein Gesicht war so nahe an ihrem, dass sie seinen Atem spüren konnte. »Es gibt etwas, das ich mir selbst im Nargi-Lager versprochen habe, wenn ich überlebe.«
»Was war das?«, fragte Carina leise.
»Das«, sagte er und beugte seinen Mund zu ihrem herunter. Für einen Moment zögerte sie. Dann lehnte sie sich gegen ihn, überrascht von sich selbst, und erwiderte seinen Kuss mit sanfter Glut. Einen Moment später zog er sich wieder zurück und sie fand, er sah gleichzeitig zufrieden und ein wenig überrascht aus.
»Ich liebe dich, Carina«, sagte Vahanian und hob ihr Kinn, um ihr in die Augen zu sehen. »Letzte Nacht, im Lager, wollte ich nicht zur Lady gehen und es ungesagt lassen.«
Wieder spürte Carina Tränen ihre Wangen herunterlaufen, aber diesmal sah sie nicht weg. »Ich liebe dich auch«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Ich habe so viel Zeit verschwendet, weil ich Angst hatte –«
Er küsste sie erneut und schnitt ihr damit die Worte ab. Er hörte nicht auf, sie zu küssen, bis ihn seine Kraft verließ und er schwankte.
»Ich sollte wirklich wieder nach unten gehen«, stammelte sie völlig ratlos.
Diesmal machte Vahanian keinen Versuch mehr, sie aufzuhalten, aber seine Augen suchten die ihren. Carina hatte das unbehagliche Gefühl, dass er direkt hinter ihre Fassade sehen konnte. Sie half ihm, sich wieder hinzulegen.
»Komm bald wieder. Hab keine Angst«, murmelte er und sah aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. »Deine Tugend ist ziemlich sicher.«
Carina wurde rot. »Und wenn man bedenkt, wo wir sind, dann will das schon etwas heißen. Und jetzt schlaf, bevor du meine ganzen Bemühungen von letzter Nacht wieder zunichte machst. Wenn ich wieder herauf komme, werde ich mal sehen, was ich gegen die Schäden tun kann, die noch übrig sind.«
Vahanian nahm ihre Hand und drückte ihren Handrücken gegen seine Lippen. »Wie Ihr wünscht, M’Lady«, sagte er mit geschlossenen Augen. Sie saß bei ihm, bis er wieder eingeschlafen war und während ihr Herz noch klopfte, stellte sie fest, dass das Gefühl der Erleichterung, ihm alles gebeichtet zu haben, alle Furcht verscheucht hatte.
Wenigstens für heute.
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
A LLE AU ß ER C ARINA und Vahanian versammelten sich am Nachmittag im Hinterzimmer, um den Segen der Göttin für Sakwi zu erflehen. Für einen langen Ritt ausgestattet, nahm der dünne Magier ihre guten Wünsche freundlich entgegen. Doch Tris’ Angebot, sich vor dem anstrengenden Ritt nach Dhasson etwas länger auszuruhen, lehnte er höflich ab.
Tris beobachtete den Magier mit gemischten Gefühlen. Er war dankbar dafür, dass es Sakwi vielleicht möglich war, den König von Dhasson für ihre Sache zu gewinnen. Er war Tris’ Onkel und hatte bisher, aufgehalten von den magischen
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