Der Blutkönig: Roman (German Edition)
Nach und nach fühlte er, wie die Spannung etwas nachließ, auch wenn die frische Trauer immer noch schmerzte.
Schließlich wurden sie langsamer und hielten an. Im Mondlicht war die Silhouette einer Tempelruine zu erkennen. Tris spürte das leichte Kitzeln der uralten Zauber, als sie sich näherten. Ein Blick auf Kiara versicherte ihm, dass sie die alte und mächtige Magie ebenfalls spürte, die vor langer Zeit gewirkt worden war, auch wenn die Spuren mit den Jahren nachgelassen hatten.
»Wollt ihr ein paar Gebete für unser Glück sprechen?«, witzelte Vahanian und Carina warf ihm einen bekümmerten Blick zu.
Gabriel brachte die Pferde in einen verfallenen Stall, außerhalb der Sichtweite von zufälligen Passanten. »Hier entlang«, winkte der Vayash Moru und führte sie zwischen die Ruinen. Im grauen Zwielicht kurz vor der Morgendämmerung war es beinahe möglich, sich vorzustellen, dass die alten Fensterbögen sich der Sonne entgegenstreckten, hohe Steinwände stützten und in eingefasstem buntem Glas schillerten. Nichts war vom alten Glanz übrig geblieben, nur ein bisschen vom marmornen Boden und den zerstörten Wänden.
Ganz vorn in den Ruinen schob Gabriel jetzt einen schweren Steinaltar zur Seite. Darunter führten Stufen in die Dunkelheit. »Bitte schön«, zeigte er und trat beiseite.
Kiara warf ihm einen skeptischen Blick zu und Jae quakte zustimmend. »Du willst, dass wir einfach … da runtergehen?«
»Da seid ihr sicher. Beeilt euch. Die Sonne geht gleich auf.«
Vahanian ging zuerst und zog sein Schwert.
»Das wird dir nicht helfen«, meinte Gabriel.
Vahanian sah über die Schulter. »Aber es bringt mir Glück«, meinte er und trat vorsichtig in die Dunkelheit.
Tris, Carina und Carroway folgten, dann Kiara. Gabriel blieb hinter ihnen und zog den schweren Stein wieder an Ort und Stelle. Tris beschwor wieder ein Handfeuer, das den engen Gang mit blauem Leuchten erfüllte. Die Dunkelheit roch nach Schimmel und verrottendem Stoff und dem metallisch-süßen Geruch von frischem Blut. Sogar ohne eine bewusste Anstrengung konnte Tris andere Lebewesen neben ihnen spüren, nicht lebend und nicht tot, rastlose Geister, die nicht sterblich waren und auch keinen Frieden gefunden hatten. Er hob seine Schutzschilde um die Gruppe und war nicht sicher, was er tun würde, wenn Gabriels Einschätzung ihrer Gastgeber sich als falsch herausstellen würde.
Tris spürte einen Luftzug und hörte, wie Leder über Stein wetzte. Carina schnappte nach Luft und Vahanian schrie auf, als in der Dunkelheit etwas nach ihnen griff. Gabriel bewegte sich schneller, als sie sehen konnten, und blockierte die Gestalt, die nach Tris hatte greifen wollen. Tris ließ die Fackeln an den Wänden um sie herum aufflammen. Die Tür am Ende des Ganges öffnete sich und noch mehr Fackellicht ergoss sich in den Korridor.
Im Türrahmen stand Riqua und hinter ihr Dutzende Vayash Moru.
»Heil dir, Riqua«, sagte Gabriel und versank in einer tiefen, höflichen Verbeugung. »Ich habe dir den Herrn der Toten und den neuen Herrn von Dark Haven mitgebracht. Wir suchen eine Unterkunft für die Nacht.«
Widerwillig folgten Tris und die anderen Gabriel in den nächsten Raum, ein großes Gewölbe mit einem Katafalk in einer Ecke. Auch wenn die Krypta eiskalt war, in jeder anderen Beziehung war sie wie ein feiner Salon ausgestattet, mit bequemen Sesseln, reichen Tapisserien und feinen Möbeln nach neuester Mode. Riqua erwiderte Gabriels Verbeugung und hielt ihre Hand ausgestreckt, um Tris zu begrüßen. Ohne zu Zögern nahm er sie und küsste ihr mit einer höflichen Verbeugung den eiskalten Handrücken.
»Unseren tiefempfundenen Dank, Lady Riqua, für Euer Willkommen und den Unterschlupf«, sagte Tris. Diese Ehrerbietung schien Riqua zu gefallen.
»Seid gegrüßt, Herr der Toten«, antwortete sie in einem Tonfall, der meisterhaft auf dem schmalen Grat zwischen Respekt und Sarkasmus balancierte. »Und wer, wenn ich fragen darf, ist der Herr von Dark Haven?«
»Das bin ich«, antwortete Vahanian und trat hinter Tris hervor, seine Hand noch immer am Schwert. Die Bewegung schien eher Tris’ Verteidigung zu gelten als ein Indiz dafür zu sein, dass ihm sein neuer Titel behagte.
»Nun gut«, sagte Riqua, als sie um Vahanian herumging und ihn abschätzte. »Ihr seid einen langen Weg von Chauvrenne und über Nargi hierhergekommen, nicht wahr, Lord Vahanian?«
»Es war ein interessanter Weg.«
Riqua wechselte einen Blick mit Gabriel. »Mit dem Willen
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