Der Blutkönig: Roman (German Edition)
zusammenraffte. Der Kampf mit Arontala hatte ihn furchtbar viel gekostet. Ohne Magierschlächter konnte er dem Wurmwurz nicht länger etwas entgegensetzen. In wenigen Momenten wäre seine Karft völlig außerhalb seiner Reichweite. Der Blutverlust ließ ihn schwindeln. Er wusste, dass der blaue Faden seiner eigenen Lebensenergie erkaltete. Er sah auf Kiara, ihr Gesicht von dem Geist verzogen, der ihren Körper besaß, ihre Augen verzweifelt und er erinnerte sich an die Qualen, die Alaine und laut seiner Großmutter auch Lemuel erlitten hatten, als ihre Körper gegen ihren Willen benutzt wurden. Die Vorstellung seines eigenen möglichen Schicksals, wie sie von der Dunklen Vision vorhergesagt worden war, von einer verkrüppelten Hülle mit leerem Blick, die sich nach dem Willen des Obsidiankönigs bewegte, ließ ihm keine Wahl. Er wusste, dass es nur einen Weg gab, um Kiara zu befreien.
Du musst tun, was ich nicht konnte, weil du hast, was ich nicht hatte.
Bava K’aas Worte hallten in Tris’ Verstand nach und er warf sich auf Kiara, und schnappte sich dabei ihren gefallenen, verzauberten Dolch. Der Spruch, der ihren Geist vom Körper trennen würde, und den er in dem versteckten Tagebuch des Obsidiankönigs gelesen hatte, stand ihm klar vor Augen. Tris murmelte den Spruch der Trennung, als er nach vorn wirbelte und wusste, dass er nicht daran denken konnte – nicht daran denken durfte –, was er jetzt zu tun hatte. Tris fühlte, wie Kiaras Seele sich aus ihrem Körper befreite, er nahm sie in sich auf und verflocht seinen Lebensfaden rasch mit dem ihren. Geschwächt, wie sie beide waren, würde er sie beide nicht lange am Leben halten können. Tris hörte mit wundem Herzen zu, wie die Glocken weiter schlugen.
Sieben … Acht … Neun …
»Vergib mir«, wisperte er, als er den Dolch in seiner Hand drehte und Tränen strömten seine Wangen herab, als er den Dolch tief in Kiaras Brust stieß.
Von weit her hörte er Vahanian aufschreien und Gabriel aufkeuchen. Tris warf all seine letzte Kraft in seine Schilde und hielt den Dolch fest, als Kiaras Blut über seine Hand lief und ihr Körper gegen ihn fiel. Es war ihr Schrei, der durch die Nacht hallte, als ihr Körper sich in seinen Armen aufbäumte. Die verzauberte Klinge, von einem Magier geschaffen, um den Körper eines Magiers sowie seinen Geist zu besiegen, wandte sich jetzt gegen die einzige verbleibende Seele in ihrem Körper – die Seele des Obsidiankönigs. In den Ebenen der Geister hörte Tris den Todesschrei des Obsidiankönigs, als der Dolch dessen Seele durchbohrte. Tris spürte, wie sich die uralte Macht löste, sah die sterbende Seele aus Kiaras Mund gleiten, als ihr Kopf zurücksank.
In einem letzten Ausbruch von Magie ging der Obsidiankönig in Flammen auf. Tris warf wieder seine Schilde um sich und Kiara, seine Macht und seine Lebenskraft war bis zur äußersten Grenze aufgebraucht. Ein beißender Geruch stieg auf, als sich auf dem Steinboden ein kreisrunder schwarzer Fleck um seine Schilde bildete. Gabriel, der immer noch Vahanian schützte, schrie auf, als Flammen seinen Mantel erfassten. Dann erloschen die Überreste des Obsidiankönigs und wurden dunkel, so zerstört, dass nicht einmal die Rache der Formlosen sie erfassen konnte. Tris sank auf die Knie, Kiaras Körper in den Armen wiegend.
Tris sackte nach vorn, zu erschöpft, um sich weiter zu bewegen. Sicher, dass er jetzt starb, hörte Tris eine Stimme in seinem Kopf, ganz nah, als ob jemand seinen Kopf über ihn neigen würde. Ich werde dich halten , hörte er die Stimme eines Mannes sagen und er erhaschte einen Blick auf das Bild eines großen Mannes mit goldenem Haar und grünen Augen, wie er sie selbst hatte. Tris spürte keine Furcht, er war vom Kampf zu geschwächt, um zu streiten. Dankbar nahm er den Strom von Lebensenergie entgegen, der es ihm ermöglichte, sich wieder zu bewegen.
»Was hast du getan?«, schrie Vahanian. Tris riss Kiaras Tunika am Kragen auf und versuchte verzweifelt, an die kleine Phiole zu kommen, die an einem Band um ihren Hals hing.
»Was seine Großmutter nicht tun konnte«, antwortete Gabriel. Tris hob die Phiole, seine Hände glitschig von Kiaras Blut und zog sorgfältig den Korken aus dem winzigen Fläschchen.
»Bitte«, flehte er das Schicksal an, als er Kiara mit einem Arm anhob und ihren Kopf zurücklegte. Er zwang die Phiole vorsichtig zwischen ihre Lippen. »Bitte.«
Es war keine Zeit, etwas anderes zu versuchen, das wusste Tris. Keine Zeit,
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