Der Blutkristall
Vampire gestern von uns wollten, aber wenn mein Auftraggeber mit dem Statthalter unter einer Decke steckt, dann bin ich mehr als nur in Gefahr. Dieser Carl würde garantiert versuchen, das Ding aus mir rauszuschneiden ...»
«Ein brillanter Gedanke!», knurrte Morgan.
«Er macht nur Spaß. Auf diese Idee würden wir niemals kommen!», ermunterte Vivianne den Dieb und warf Morgan einen warnenden Blick zu.
«Eben! Euch dürfte klar sein, dass mit mir auch der Zauber des Blutkristalls aus dieser Welt verschwinden würde. Und das wäre doch sehr bedauerlich.» Er warf ihnen einen vielsagenden Blick zu, breitete die Arme aus und grinste. «Hier bin ich, lasst euch was einfallen!»
Morgan zog sein Handy aus der Hosentasche und wählte eine Nummer, während er ihren Besucher im Blick behielt. Vivianne erkannte sofort Cyrons Stimme, nachdem der letzte Klingelton verstummt war. Was die beiden besprachen, konnte sie nicht verstehen. Salai schien es ähnlich zu gehen. Sie wusste zwar nicht, ob sein Gehör ebenso gut war wie das eines Vampirs, aber mit den melodischen Worten, die klangen, als würden sie gesungen werden, konnte er sichtlich überhaupt nichts anfangen. Morgan beendete das Gespräch und wählte eine neue Nummer. Dieses Mal war klar, dass er ein Taxi bestellte.
Vivianne hatte gerade ihren Mantel angezogen, da sagte Morgan bereits: «Per ist da.»
«So schnell? Seit wann liegt die Vorhölle in ‹Berlin Mitte›?»
Anstelle einer Antwort packte er Salais Arm, dem seine Bemerkung «Wo sonst?» beinahe vor Schreck im Halse stecken blieb, und eilte mit langen Schritten durch den Hotelflur zum Aufzug, bevor Vivianne noch die Zimmertür hinter sich zugezogen hatte. Sie musste die letzten Meter sogar laufen, damit er mit seinem Gefangenen, so sah es jedenfalls aus, nicht ohne sie davonfuhr. Keiner sprach ein Wort, und die Kabine schien zu eng für die drei Mitfahrenden. Zum Glück öffneten sich die Türen schnell wieder und niemand hatte unterwegs zusteigen wollen.
Bevor sie ins Foyer des Hotels hinaustraten, zischte sie den beiden zu: «Reißt euch zusammen! Sollen die Leute etwa glauben, dass hier etwas nicht in Ordnung ist?» Tatsächlich bemühte sich Morgan daraufhin um einen neutralen Blick und erwiderte sogar den Gruß der Empfangsmitarbeiterin mit einem charmanten Lächeln. Hierbei, fand Vivianne in einem Anflug von Eifersucht, hätte er ruhig eine Spur weniger freundlich sein können. Per stand mit laufendem Motor vor der Tür und stritt sich mit dem Portier, der offensichtlich fand, dass sein schäbiges Vehikel nichts auf dem Trottoir und noch dazu unter dem roten Dach zu suchen hatte, das die Hotelgäste vom Eingang des Hotels bis hin zu den regulären Taxis beschirmen sollte. Als er Morgan erkannte, eilte er allerdings um das Auto herum, und Vivianne stellte erstaunt fest, dass sie es mit einem Vampir zu tun hatten. «Gnädige Frau», sagte er in einem unverwechselbar wienerischen Dialekt und hielt ihr die Tür auf. Sie stieg ein und Morgan schubste Salai hinterher, bevor er selbst versuchte, seine langen Beine irgendwie im Taxi unterzubringen. «Per!»
«Sehr wohl, Mylord», entgegnete dieser und schob den Beifahrersitz nach vorn. «Kann ick sonst noch was für Euch tun?», fragte er dann ironisch.
«Fahr los!» Es war Morgan anzuhören, dass er nicht zu Späßen aufgelegt war. Das begriff auch Per und trat das Gaspedal durch. Mit quietschenden Reifen schossen sie Sekunden später über den breiten Boulevard. Nach einer halben Stunde Fahrt hielt er vor einem unbeleuchteten Park. «Soll ich warten?»
Morgans Laune hatte sich inzwischen gebessert und er schickte den Fahrer mit leise gemurmelten Worten fort, sobald sie ausgestiegen waren. Viviannes Stimmung war allerdings auf dem Nullpunkt angelangt. In ihren Ohren hielt sich hartnäckig ein lautes Pfeifen, obwohl sie schon mehrfach unauffällig ihre Nasenflügel mit zwei Fingern zusammengepresst und dabei geschluckt hatte. Sie hatte es für unter ihrer Würde befunden, Per zu bitten, den dröhnenden Metal-Sound leiser zu stellen, und konnte nur hoffen, dass sich ihr Gehör schnell erholen würde. Sie schob die unfreundlichen Gedanken, die sie für ihn hegte, beiseite und sah sich um. Die Luft schmeckte nach Herbst und deutlich hing der Geruch von Schilf und Wasser in der Luft. Irgendwo dort hinter den hohen Bäumen war ein See und gewiss hätte sie auch das Plätschern der Wellen hören können, wenn ihre Ohren nicht immer noch ... Aber darauf
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