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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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ging zur Tür. «Dann komm!»
    Auf der Straße bewegte er sich selbstbewusst und schien alles gleichzeitig im Auge zu haben. Die Jugendlichen dort auf der Bank, das langsam vorbeifahrende Auto und die Frau im afrikanischen Kleid ebenfalls, die ihre Einkäufe auf dem Kopf nach Hause trug. Der Vergleich mit einem Raubtier drängte sich ihr auf. Cliché , schalt sie sich. Er ist nichts weiter als ein Versicherungsdetektiv und daran gewöhnt, seine Umgebung aufmerksam zu betrachten. Es war nicht einfach, mit ihm Schritt zu halten, und Vivianne musste sich stark konzentrieren, damit ihre dünnen Absätze nicht in der schrecklich unebenen Pflasterung des Trottoirs hängen blieben. Gerade wollte sie sich erkundigen, welches Ziel sie eigentlich hatten, da blieb er zwischen zwei geparkten Autos stehen und überquerte gleich danach die Straße. Ohne sich nach ihr umzusehen, lief er eine schmuddelige Treppe hinauf, nahm zwei Stufen auf einmal und Vivianne stöckelte eilig hinterher. Oben fuhr bereits ein Zug ein. «Schon wieder S-Bahn?», fragte sie.
    «U-Bahn.»
    «Ein ‹U› für Untergrund?»
    Morgan zog die Doppeltüren auf. «Nach dir.»
    Sie fuhren nur eine Station, und Vivianne fragte sich, ob sie es ihrem Schuhwerk zu verdanken hatte, dass sie diese kurze Strecke fahren durfte. Sie biss sich auf die Unterlippe, damit ihr kein unbedachtes Wort des Dankes entschlüpfte. Wenn er ein Kavalier gewesen wäre, hätte er mindestens ein Taxi bestellt und sie nicht im Zickzack zwischen all den Leuten durch die Straßen gehetzt. Morgan steuerte auf eine Eckkneipe zu, deren massive Eingangstür ein gemein grinsender roter Teufel zierte. Geschmacklos. Sie verkniff sich ihre Freundlichkeiten endgültig und folgte ihm zögerlich. Da ertönte ein Pfiff. Vivianne sah sich um und bemerkte auf der anderen Straßenseite zwei junge Männer, die zu ihr herüberstarrten und sich offenbar köstlich amüsierten. «Na, Muttern, haste dir verlaufen?», grölte der eine und sein Kumpel machte eine obszöne Geste. Das reicht. Sie stand so schnell vor ihm, dass er erst gar nicht begriff, was geschehen war. Vivianne packte ihn an seiner Jacke und schob mit der anderen Hand den giftgrünen Schopf aus seinem Gesicht, der an guten Tagen sicher ein imposanter Iro war. «Sieh mich an!», befahl sie und starrte in seine vor Schreck geweiteten Pupillen. Sie würde dem Flegel eine Lektion erteilen.
    «Jungs, die Lady ist nicht zu Späßen aufgelegt.» Sie hatte es nicht für möglich gehalten, aber das Entsetzen im Gesicht des Punks wurde noch größer. Morgan legte Vivianne eine Hand auf die Schulter. Willst du hier auf offener Straße eine Szene machen?
    Sie fuhr herum. «Ich muss mich nicht beleidigen lassen!»
    «Sie haben doch nur gefragt, ob du dich verlaufen hast.» Morgans Blick auf ihre zu Krallen gebogenen Nägel, von denen sich Lacksplitter lösten, sprach Bände.
    Mit einer schnellen Bewegung schüttelte sie seine Hand ab und ging mit hoch erhobenem Kinn zurück. «Wo bleibst du?»
    Ein kleines Schild an der Tür informierte sie, dass der Eintritt in den «Limbus» auf eigene Gefahr erfolge, und darunter las Vivianne den Namen des Besitzers: Per Obscurus. Na, toll! Die Außenwerbung hatte nicht zu viel versprochen, innen mangelte es auf den ersten Blick an angemessener Beleuchtung, die Fensterscheiben waren schwarz gestrichen und eine Luft zum Schneiden gab es gratis dazu. Auch die Gäste wurden dem Anspruch des Inhabers gerecht. Obskur wirkten sie tatsächlich, und jeder Einzelne von ihnen hatte seinen Platz im Vorhof zur Hölle garantiert sicher, nahm Vivianne an. Die Männer hatten seltsame Bärte und Tätowierungen, die Körper der Frauen waren ebenfalls mit farbigen Mustern überzogen, dazu trugen sie zahllose Piercings im Gesicht und jede zweite hatte ihrem Haar die Farbe frischen Taubenbluts in den unterschiedlichsten Schattierungen gegeben. Bekleidet waren sie mehr oder minder, aber unbedingt in Schwarz. Zur Bar. Morgan machte nicht einmal einen Versuch, den infernalischen Lärm zu übertönen, der niemanden außer Vivianne weiter zu stören schien.
    Mit dem Barkeeper verständigte man sich offenbar in einer Art Zeichensprache. Zumindest hörte Vivianne keinerlei Bestellung, aber binnen Sekunden hatte jeder von ihnen ein Glas vor sich stehen, aus dem ein wohlbekannter Duft emporstieg. Sie sah Morgan mit gehobener Augenbraue an. Ist es wirklich, was ich vermute?
    «A-negativ, gut abgehangen. Auf das Leben!» Er trank einen Schluck, stieß

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