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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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hatte, sie könne sich in einem Secondhandladen neu einkleiden und dabei sogar noch etwas Bargeld bekommen. Sie freute sich schon auf sein erstauntes Gesicht. Beflügelt von ihrem Erfolg beschloss sie, mehr über die Adresse auf dem Zettel herauszufinden. Sie war keineswegs auf die Hilfe eines unfreundlichen Vampirs angewiesen. Außerdem war da ja auch noch Cyron, dessen Talisman sie in ihrer Hosentasche spürte.
    Vivianne überlegte. Was sie bisher von dieser Stadt gesehen hatte, verführte kaum dazu, sich über die Qualität der nobleren Viertel Illusionen zu machen. Vermutlich lag deren Exklusivität bestenfalls hinter morbiden Fassaden verborgen und nährte sich von der Erinnerung an bessere Zeiten. Ganz anders als Paris, die Schöne, wo sich der Glanz großer Epochen bestens mit dem Komfort eines modernen Lebens verbinden ließ. Vorausgesetzt natürlich man hatte das notwenige Kleingeld für einen solchen Lebensstil. Das Heimweh hielt sie einen Herzschlag lang im Griff, dann schüttelte sie ihre finsteren Gedanken ab und kehrte in Morgans Behausung zurück, um dort mithilfe des Stadtplans, den sie am Kiosk an der Straßenecke gekauft hatte, diesen «Wannsee» vorab zu erkunden. Sollte er ruhig dem Dieb hinterherjagen, sie würde den Kerl mit ein wenig Glück in seinem Unterschlupf erwarten.
    Auf den Stufen, die zum Loft hinaufführten, nahm sie plötzlich einen appetitlichen Duft wahr. Blut. Gleich darauf hörte sie jemanden sprechen. Morgan war offenbar zurückgekehrt. Auf Zehenspitzen schlich Vivianne näher und maskierte ihre Präsenz so gut es ging.
    «Ich habe Hunger und was bringst du mir?» Eine warme Frauenstimme, aber mit dem typischen Akzent des Londoner Eastends längst vergangener Tage. So was passte zu ihm.
    «Lass die Finger von dem Mädchen!» Die männliche Stimme hatte den gleichen eigentümlichen Singsang angenommen, sie klang dennoch bedrohlich. War das wirklich Morgan? Aber ja, bei den folgenden Worten schmolz die Strenge und bekam einen wärmeren Ton: «So is es gut, komm her, mein Engel!» Sie glaubte, ein leises Wimmern zu hören. Dann war Stille, bis die Frau stöhnte: «Gib mir mehr, ja!»
    Vivianne schäumte. Als gäbe es nichts Wichtigeres zu tun als ein Rendezvous mit einer Vampirschlampe. Kaum verließ sie das Haus, hatte er offenbar ihre Probleme und den Blutkristall vergessen und vergnügte sich mit seiner Geliebten. Wenn Vivianne nur daran dachte, dass Morgan eben noch eine wichtige Rolle in ihren erotischen Fantasien gespielt hatte, wollte sie sich am liebsten vor Abscheu schütteln. Stattdessen aber hielt sie sich ganz ruhig und lauschte weiter. Doch kein Ton war zu hören, außer dem leisen Schlagen einer Tür. Sie fühlte sich wie ein Voyeur, wagte minutenlang nicht sich zu bewegen, machte schließlich doch kehrt und lief die Stufen hinab, geradewegs in Morgans Arme. Sie fragte sich, wie es kam, dass er plötzlich nicht mehr in der Wohnung war, wollte aber auch nicht verraten, dass sie gelauscht hatte.
    «Du solltest auf mich warten!»
    Zu ärgerlich, er hatte ihre Abwesenheit bemerkt. Dabei müsste er eigentlich doch froh sein, dass sie ihm während seines Schäferstündchens nicht im Weg gewesen war. Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass sie sich verhört und Morgan tatsächlich soeben erst wieder das Haus betreten hatte. Sie entwand sich seiner Umarmung und lief vor ihm die Stufen zur Wohnung hinauf. Dabei bedauerte sie es sehr, dass er in der Dunkelheit und unter dem Mantel ihre zweifellos verführerischen Kurven nicht ausreichend würdigen konnte. Gewiss hatte sie doch mehr zu bieten als diese ordinäre Person.
    Auf dem Treppenabsatz schob der Vampir sie beiseite, um die Tür aufzuschließen, und dabei berührten sich unabsichtlich ihre Hände. Vivianne entschlüpfte ein heiseres Fauchen. Jede Zelle ihres unsterblichen Körpers verlangte nach mehr. Mehr Blut, mehr Berührungen, mehr Morgan. Er verharrte mitten in seiner Bewegung, und sie bereitete sich auf das Unvermeidliche vor, senkte die Lider und erwartungsvoll schoss ihr die Zunge über die Lippen.
    «Kommst du?» Er hielt die Tür weit geöffnet, und sie warf ihm einen wütenden Blick zu, als sie an ihm vorbei hineinging. Sie hatte Besuch erwartet, aber das Loft war leer. Nicht einmal mehr den Blutgeruch nahm ihre empfindliche Nase wahr. Wahrscheinlich sollte sie ihm erzählen, dass sie jemanden in seiner Wohnung gehört hatte, aber Vivianne konnte sich schon sein Gesicht vorstellen, wenn sie ihm von

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