Der Blutkristall
er etwas antworten konnte, klingelte sein Handy. Er sprach nicht, hörte nur zu, wieder diese fremde Sprache, da half auch Viviannes gutes Gehör nichts. Morgan klappte das Telefon zu. «Wir haben uns geirrt. Er will nicht seine Macht. Er versucht, den Blutkristall zu verkaufen.»
«In Wannsee?» Sie erinnerte sich an ihren Fund aus dem Hotel.
«Was?» Seine Stimme klang scharf, und rasch zog Vivianne den Zettel hervor und schob ihn über den Tisch. «Woher hast du das?»
Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm zu erzählen, wie ihr das Papier zugeflogen war und sie es dann in ihrer Tasche vergessen hatte. «Ich habe nicht mehr daran gedacht, ehrlich!»
Morgan sah nicht so aus, als glaubte er ihr. Er machte eine wegwerfende Handbewegung. «Egal. Hast du überhaupt eine Ahnung, wer dort wohnt?»
«Der Auftraggeber?»
Morgan sah sie nachdenklich an. «Möglich wäre es. Oder ein Konkurrent. In jedem Fall ist es keine gute Nachricht. Das hier ist die Adresse des Statthalters von Berlin. Jeder weiß, dass Milovan Juwelen liebt. Ich vermute, unser Dieb ahnt nicht einmal, mit wem er sich da eingelassen hat.»
«Und wenn dieser Milovan ebenfalls hinter dem Blutkristall her ist?»
«Das kann ich mir nicht vorstellen. Er ist gierig, aber nicht wahnsinnig genug, um sich ausgerechnet mit dem Causantín-Clan anzulegen. Hier hegt jemand offenbar einen ausgeprägten Todeswunsch. Zwei so mächtige Parteien wie den Statthalter und seinen zweifellos weiter an dem Juwel interessierten Auftraggeber gegeneinander auszuspielen, das ist Wahnsinn. Selbst wenn er nicht ahnt, mit wem er es zu tun hat, dieser Typ muss verrückt sein.» Dann erschien ein kalkulierender Ausdruck auf seinem Gesicht. «Ich stehe bei Milovan nicht gerade ganz oben auf der Gästeliste, aber du ...»
«Ich muss mich ohnehin bei ihm melden, richtig?» Alle Vampire taten
gut daran, die jeweiligen Statthalter des Rates zu informieren, wenn sie planten, sich länger als nur ein paar Stunden in deren Hoheitsgebiet aufzuhalten. Wollte sich jemand niederlassen, so musste er in der Regel um eine persönliche Audienz ersuchen und um Erlaubnis bitten. In Paris hatten ihre Brüder das für sie geregelt. Plötzlich war ihr ein wenig bange. Was, wenn jemand herausfand, wer sie wirklich war? «Kommst du mit?»
«Nie im Leben würde ich mir diese Gelegenheit entgehen lassen.» Er ging zur Tür. «Und wenn wir uns beeilen, dann sollten wir sogar noch vor unserem lebensmüden Freund dort eintreffen.»
Draußen wartete schon ein Taxi. Vivianne hatte noch nicht ganz die Wagentür zugeschlagen, da raste es bereits mit quietschenden Reifen los. Der Fahrer kam ihr bekannt vor. «Kommt der nicht aus dem Limbus?», fragte sie leise. Offenbar nicht leise genug, denn der Kerl sah sich um. «Kluges Mädchen, deine neue Schnecke!» Er lachte dröhnend, bis Morgan ihn ermahnte: «Sieh nach vorne, Per!»
Kapitel 7
Das Grundstück wirkte bereits ohne die dezent angebrachten Kameras gut gesichert. Auf der hohen Mauer war zusätzlich noch einen Drahtzaun angebracht, und wenn Vivianne sich nicht sehr täuschte, dann war es der Strom in den Drähten, der das hohe Summen erzeugte, das eine eigenartige Beklemmung in ihr auslöste. Und das lag nicht nur daran, dass es nicht nach einem harmlosen Weidezaun klang. Sie konnte sich vorstellen, dass der Vampir noch ganz andere Vorkehrungen getroffen hatte, um seinen Garten vor unerwünschten Besuchern zu schützen, und tatsächlich vibrierte die Luft von all der Magie, die man darauf verwendet hatte. Hier würde sich gewiss niemand unbemerkt einschleichen. Ein Wachmann verwehrte ihrem Taxi in diesem Augenblick die Zufahrt sogar ganz offiziell. Die mächtigen Eisentore blieben geschlossen, sie wurden zu einem Seiteneingang dirigiert. Morgan schien nichts anderes erwartet zu haben. Lass mich reden und sei auf alles gefasst. Sollte der Statthalter seine Finger im Spiel haben, bist du hier in größter Gefahr und wir müssen so schnell wie möglich wieder verschwinden. Damit half er ihr aus dem Wagen.
Hinter einer gesicherten Scheibe saß eine attraktive Pförtnerin in knapper Uniform und erkundigte sich ausgesucht höflich nach ihren Wünschen. Der Vampir neben ihr bekam allerdings ein Zucken unter dem linken Auge, als er Morgan erkannte. Der tat, als bemerke er nichts von alledem, und legte einen nasalen Akzent auf seine Stimme. «Mademoiselle Cirta aus Paris möchte ihre Aufwartung machen.»
Vivianne spürte, wie jemand versuchte, in ihre
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