Der Blutkristall
plötzlich her? – sah er allerdings eher aus, als habe er mit diesem Look Generationen von Hollywood-Stars beeinflusst.
Noch einmal vergewisserte sie sich, dass er der Einzige war, der mental mit ihr kommunizieren konnte. Wie immer stellte sie sich zu diesem Zweck das Bild einer wehrhaften Burg vor. Alle Zugänge waren verschlossen, besonders die oft vernachlässigten Hintertüren und Seiteneingänge. Nur ein Fenster zum Turmzimmer ließ sie geöffnet, allerdings nicht ohne es gemeinsam mit einem besonders grausigen Höllenhund zu bewachen. Der Statthalter warf ihr einen giftigen Blick zu und sie spürte, wie der Druck in ihrem Kopf nachließ, der daher gerührt hatte, dass jemand versucht hatte, ihre Gedanken zu erkunden. Erst jetzt bemerkte sie, dass nicht nur Carl, sondern auch der Statthalter seit ihrem Eintreffen damit beschäftigt gewesen waren, ihre mentalen Schilde zu durchbrechen. Dass es ihnen nicht gelungen war, erfüllte sie mit Stolz, barg gleichzeitig aber auch eine Gefahr. Würde man ihr glauben, dass sie eine besondere Begabung besaß, oder würde jemand Verdacht schöpfen und ihre Herkunft hinterfragen?
«Wenn ihr jetzt so freundlich wärt, eure Aufmerksamkeit wieder mir zu schenken!» Der Statthalter unterbrach ihre Überlegungen, und er klang wenig amüsiert dabei.
«Mylord!» Morgan deutete eine Verbeugung an. «Ich höre, es ist Euch etwas abhanden gekommen. Wie können wir zur Aufklärung beitragen?»
«Woher ...? Ach, verdammt! Natürlich weißt du, dass wir einen Gefangenen vermissen. Hast du ihn verschleppt?»
«Nein.» Morgans Stimme klang jetzt ganz flach, und Vivianne war froh, ihm das Reden überlassen zu können. Dies gab ihr die Gelegenheit, sich umzusehen und nach möglichen Fluchtwegen Ausschau zu halten. Leider konnte sie vorerst nichts entdecken.
«Wo warst du zwischen Mitternacht und ein Uhr?» Carl stand auf einmal unangenehm dicht vor Morgan. Dabei gelang es ihm, ihr einen triumphierenden Blick zuzuwerfen, als wüsste er genau, dass auf diese Frage keine zufriedenstellende Antwort zu erwarten war.
«Zuhause.»
«Selbstverständlich. Wo auch sonst solltest du dich aufhalten, während deine kleine Freundin hier», Carl legte seine Hände auf Viviannes Schultern, sodass sie vor Ekel ganz steif wurde, «ungeschützt durch die Parkanlagen streift.»
Morgan gab ein warnendes Knurren von sich. Carl fauchte, ließ dann jedoch von ihr ab. Sein zahnreiches Grinsen allerdings blieb. Was willst du dagegen tun, wenn ich sie mir hier und jetzt nehme? , schien seine gesamte Körpersprache zu fragen. Morgan starrte ihn ausdruckslos an, und man konnte das Ticken der Uhr hören, die am Arm eines der sterblichen Wachleute glänzte. Vampire würden etwas derart Verräterisches niemals tragen.
Morgan wandte sich an den Statthalter, als habe er mit Carl nichts abzumachen. «Fragt die Purgatoren, wenn ihr mir nicht glaubt.»
Milovan gab Carl ein Zeichen und dieser nahm seinen Platz neben dem Thron wieder ein. «Das werden wir. Zu gegebener Zeit. Verlass dich darauf.» Sein Arm schnellte vor und alle Blicke waren plötzlich auf Vivianne gerichtet. «Aber sie hat kein Alibi!»
«Wofür sollte ein junges Reh wie Mademoiselle Cirta ein Alibi benötigen?»
Vivianne fuhr herum. Durch die große Doppeltür schritt Sebastian auf den Statthalter zu und heftete dabei seinen Blick auf Carl, der sichtlich Mühe hatte, Ruhe zu bewahren. Bemerkenswert bei einem Vampir, der es offensichtlich liebte, seine Magie und Macht bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu demonstrieren. Sebastian starrte ihn regungslos an, und Vivianne drängte sich das Bild vom Kaninchen und der Schlange auf. Carl war zweifellos eine giftige Viper, jetzt aber fand er sich in der undankbaren Rolle des Kaninchens wieder. Vielleicht nicht verängstigt, aber auf jeden Fall in die Enge getrieben.
«Die Sache geht Euch nichts an, Rochester!», fauchte Carl, schon fast auf dem Sprung, um den unwillkommenen Besucher in seine Schranken zu verweisen. Doch der Statthalter hob die Hand, und er sank, nachdem er deutlich gezögert hatte, schließlich zurück in seinen Sessel.
Sebastian schüttelte bekümmert den Kopf. «Natürlich tut es das!» Er hatte Vivianne inzwischen erreicht, ergriff ihre Hand und führte sie zu einem Handkuss an seine Lippen. «Unser Ausflug auf den See war ein unvergessliches Erlebnis, ma Belle!»
Carl hatte sichtlich Schwierigkeiten, Ruhe zu bewahren. «Eine gemeinsame Bootstour also», fauchte er, «und warum
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