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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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den vergangenen Jahren genossen hatte, verschüttet und erwachten erst allmählich zu neuem Leben. Sie schalt sich eine dumme Gans, nicht auf die fortgeschrittene Uhrzeit geachtet zu haben. Morgan wäre so etwas bestimmt niemals passiert. Vivianne verdrängte den Gedanken rasch und öffnete sich für die Geräusche der Nacht. Unter ihnen klingelte ein Wecker. Bereits zum dritten Mal, wie sie erstaunt feststellte. Völlig eingeschlafen schienen ihre Fähigkeiten also nicht zu sein, ihr Unterbewusstsein war aufmerksamer, als sie es bisher wahrgenommen hatte. In der Wohnung nebenan weinte ein Baby, jemand schlug seine Bettdecke zurück und schlurfte in Richtung des nicht zu überhörenden Geräuschs. Dies wiederum weckte den Hund, der eine Etage tiefer schnarchte. Vivianne tippte auf eine Bulldogge. Die armen Tiere hatten derart verformte Schnauzen, dass sie schlecht Luft bekamen. Dieser hier schien auch noch erkältet zu sein, jedenfalls war ein trockenes Husten zu hören, während er über das Parkett tappte und schließlich geräuschvoll aus seinem Napf soff.
    So lauschte sie sich durch das erwachende Leben des Mietshauses, in dessen oberster Etage, gleich neben ihnen, ein Vampir mehr oder weniger freiwillig in seinem Sarg ruhte und ein Elf nur darauf wartete, Vivianne zu entwischen. Immerhin, im Keller war keine Menschenseele auszumachen. Die unterste Etage schien, wenn man von ein paar vierbeinigen Nagern einmal absah, unbewohnt zu sein. Ach ja, da war eine Katze. Sie musste lächeln, als der feline Jäger einer Maus den Garaus machte.
    Entschlossen packte sie Salai am Arm und wollte ihn aus der Wohnung zerren. Doch sie hatten den Flur noch nicht vollständig durchquert, da brach die Hölle los. Die Wohnungstür flog aus den Angeln, zwei bewaffnete Männer stürmten herein, und hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte geglaubt, Zeugin eines Einsatzes des menschlichen SEKs zu sein oder mitten in irgendwelchen Dreharbeiten zu stecken. Vivianne schob den Dieb hinter sich und zischte: «Egal was passiert, du hältst den Mund!»
    «Da ist ja unser Vögelchen!» Es waren die beiden Vampire, die sie in Salais ehemaligem Unterschlupf abgeschüttelt hatte. Der Anführer starrte sie an und versuchte ihre Gedanken zu lesen. Vergiss es! Sie nutzte all ihre Kräfte, offenbar nicht ganz erfolglos, denn er schüttelte seinen Kopf, als wolle er eine lästige Fliege loswerden. Eines von Viviannes Talenten bestand darin, ihrem Gegenüber einen Spiegel vorzuhalten. Mental. Offensichtlich gefiel dem Vampir nicht, was er darin sah. Er fauchte: «Der Statthalter will dich sehen!»
    «Tatsächlich? Dann sag ihm, Termine vereinbart mein Büro.» Sie begann, sich möglichst unauffällig in Richtung des Ausgangs zu bewegen. Leider blieb ihr Vorhaben nicht unbemerkt und der zweite Vampir veränderte demonstrativ seine Position. Ihr Fluchtweg war abgeschnitten. Aus dem Fenster zu steigen war leider ebenso wenig Erfolg versprechend. Selbst wenn ihr die Flucht ein zweites Mal gelungen wäre, den Elf hätte sie zurücklassen müssen. Und Vivianne ließ niemanden im Stich. Mach was! Oder seid ihr Lichtelfen zu überhaupt nichts zu gebrauchen?
    Zu ihrer Überraschung antwortete Salai: Licht ist das Schlüsselwort. Ich kann hier gar nichts tun, bis nicht die Sonne aufgegangen ist, und das dürfte frühestens in ein paar Minuten der Fall sein. Halte durch , fügte er überflüssigerweise hinzu.
    «Vielen Dank für das Gespräch.» Vivianne wandte sich ärgerlich dem Geheimpolizisten zu, der grinste, als hätte er ihren lautlosen Dialog Wort für Wort verfolgt. Unmöglich – hoffte sie zumindest. Schmallippig lächelte sie zurück. «Was ist? Sag deinem Boss, ich bedanke mich für die sympathische Einladung und werde ihn in die engere Wahl ziehen, was meine Abendunterhaltung betrifft.» Sie sah auf eine imaginäre Uhr an ihrem Arm. «Aber jetzt ist es dafür etwas zu spät.»
    Er quittierte ihre Frechheit mit einem kalten Blick. «Nicht so vorlaut, Herzchen! Jeder weiß, dass deine Paten anderweitig beschäftigt sind. Du stehst nicht mehr unter ihrem Schutz, und der hier», er machte eine wage Handbewegung in Richtung des zitternden Elfs, «kann dir bestimmt nicht helfen.» Der Vampir hinter ihm spuckte aus, als wolle er die Worte seines Chefs damit bestätigen.
    Es mochte eine Menge Dinge geben, über die sich Vivianne wenig Gedanken machte, aber sie war es leid, sich ständig wie ein hilfloses Weibchen behandeln lassen zu müssen. «Ich

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