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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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spontan einfiel. Das Hotel Nodal war auf die Beherbergung von Vampiren und anderen nachtaktiven Kreaturen spezialisiert und verfügte über starke magische Siegel, die zu brechen schon deshalb kaum jemand wagte, weil dies bedeutete, für immer auf die schwarze Liste zu kommen. Und jeder von ihnen hatte in seinem langen Leben mehr als einmal eine Situation erlebt, in der er froh war, die Sicherheit eines dieser Häuser genießen zu dürfen. Sie wehrte sich nicht und schlief bereits fest, als er bald darauf die Bettdecke bis zu ihrem entzückenden Kinn zog. Erst lange danach schloss er selbst seine Augen und begann zu träumen:
    Nach Jahren auf den Weltmeeren, Morgan war inzwischen längst zu einem erfahrenen Seemann herangewachsen, der keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging, kehrte sein Schiff eines Tages nach England zurück, wo es in den Docks von Chatham überholt werden sollte. Der Kapitän und die meisten Offiziere nutzten diese kostbare Zeit, um ihre Familien zu besuchen. Einige Seeleute taten es ihnen gleich, aber ein Großteil der Besatzung durfte das Schiff nicht verlassen. Zu groß war die Sorge, dass die Männer desertieren könnten, sobald sie Heimatluft schnupperten. Und nach Beendigung der Reparaturarbeiten musste womöglich eine neue Mannschaft angeheuert werden. Morgan blieb. Wohin hätte er auch gehen sollen? Bestimmt zog ihn nichts zu seinem versoffenen Vater, der ohnehin längst nicht mehr am Leben war. Und was immer aus seiner Schwester geworden sein mochte, ein einfacher Seefahrer wie er würde nichts dagegen ausrichten können. Falls sie überhaupt noch lebte. Aber er ließ sich immer noch ungern etwas vorschreiben und so schlich er sich an einem milden Sommerabend von Bord. Er hatte keine besonderen Pläne. Er würde eine der Tavernen aufsuchen, von
denen man nicht wenige längs des Hafens in Häusern fand, die sich dicht gedrängt an die Lagerhallen schmiegten. Dort würde er einen fetten Braten mit zu viel Ale hinunterspülen und später mit einem der hübscheren Schankmädchen eine schnelle Nummer in ihrem verlausten Hurenbett oder einfach in einer dunklen Ecke schieben. Womöglich fand er danach eine Runde Gleichgesinnter, die ihre Heuer beim Würfeln oder Hahnenkampf verwetteten. Und am nächsten Morgen würde er sich wieder einmal schwören, die Finger von den Weibern und dem Rum zu lassen.
    Sein Plan ging auf bis zu dem Zeitpunkt, als es ihn nach einer willigen Gespielin gelüstete. Die Hure war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Sie kam mit schwingenden Röcken geradewegs auf ihn zu und zeigte zwei Reihen erstaunlich gesunder Zähne. Morgan gefiel, dass sie sich offenbar sauber hielt, ihre Fingernägel waren gebürstet und sie stank nicht wie die anderen Schankmädchen, die ihm während seiner Mahlzeit schöne Augen gemacht hatten. Es kam nicht alle Tage vor, dass sie einen so hübschen Burschen umgarnen konnten, und eine hatte ihm ihre Dienste sogar kostenlos angeboten. Er war versucht gewesen, aber jetzt wollte er nur die eine. Jung wirkte sie, kaum älter als sechzehn und recht hübsch. Mit einem gekonnten Augenaufschlag und geflüsterten Versprechen lockte sie ihn in die Gasse hinter der Taverne. Ratten flohen quiekend vor seinem unsicheren Schritt, als er über Reepseile stolperte, die hier nichts zu suchen hatten. Sie blieb stehen und lachte über seine ungeschickten Bewegungen. «Ein feiner Seemann bist du mir!» Ihr Schultertuch hatte sich gelöst, und als der Mond hinter einer Wolke hervorkam, erstrahlten ihre Brüste wie die Zwillinge des Erdtrabanten. Morgan keuchte bei diesem unerwartet lieblichen Anblick und hätte sie am liebsten gleich hier genommen, an die Wand gedrückt, die Röcke geschürzt und ihre weichen Schenkel um seine Taille geschlungen, willig und lüstern, so wie er die Mädchen am liebsten hatte. «Es ist nicht mehr weit!» Ihre Stimme hatte einen drängenden Ton angenommen, sie begehrte ihn wohl auch und wollte mehr als nur das schnelle Geld. Es gab solche Frauen in den Hurenhäusern der großen Städte, sie waren unersättlich und die meisten liebten Morgan, der jung war, sich wusch, wenn es die Gelegenheit dazu gab, und eine Zunge besaß, die manche von ihnen gewiss nicht so schnell vergaß. Es waren nicht selten Bürgerinnen oder Edeldamen, die sich dort inkognito ihrer Leidenschaft hingaben. Hier in dieser schäbigen Kaschemme hätte Morgan allerdings keine von ihnen erwartet, doch vielleicht meinte das Schicksal es heute einmal gut mit ihm. Hübsch

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