Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
Vom Netzwerk:
Soll er! Mich stört dabei nur, dass sie sich an ihm bereichern. Helfen können sie ihm nicht. Um ehrlich zu sein – ich könnte es auch nicht.«
    Er spürte, dass sie etwas zu verbergen hatte. Es gab irgendeine Verbindung zwischen ihr und dem Grafen, die mit der Heilkunst nichts zu tun hatte. Sie hegte keine Sympathien für ihn, wollte ihn aber auch nicht verdammen.
    »Ich brauche mehr Holz«, forderte sie. »Was sitzt du herum? Siehst du nicht, dass es etwas zu tun gibt für dich? Oder willst du das Feuer ausgehen lassen?«
    Den groben Ton war er von ihr gewohnt. Doch nun war sie auffallend gereizt, und in ihrer Stimme lag ein Zorn, den er bislang bei ihr nicht gekannt hatte. Während er hinausging, um Holz zu holen, stellte er fest, dass noch genügend Scheite am Kamin lagen. Er ahnte, was der Grund für ihren Unmut war. Sie selbst war auf den Grafen |300| zu sprechen gekommen und hatte damit ein Thema angeschnitten, das ihr gar nicht behagte. Sie ärgerte sich, dass ihr dieser Fehler unterlaufen war.
    Er hatte sich nicht geirrt. Was den Grafen anbetraf, hatte sie etwas zu verbergen.
    An ein Geheimnis wollte er nicht rühren, daher beschloss er abzuwarten, bis sich die Wogen geglättet hatten, um später auf Störtebeker und die Likedeeler zu sprechen zu kommen. Er war überzeugt, dass sie ihm die Informationen geben würde, die er brauchte. Sie kannte ihn von Jugend an. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte und dass er auf keinen Fall auf der Seite der Feinde Störtebekers stand. Die Fronten waren klar. Todfeinde der Freibeuter waren die hanseatischen Kaufherren mit Wilham von Cronen an der Spitze. Diesem war er mit knapper Not entkommen. Und das wusste Spööntje.
    Seine Überlegungen bestätigten sich am nächsten Abend. Als sie am Kaminfeuer saßen, ein wenig Fleisch und Brot verzehrten und eine Brühe genossen, kam sie von sich aus auf Störtebeker zu sprechen.
    »Die Jagdsaison ist bald vorbei«, erklärte sie. »Sie dauert von Februar bis November. Jetzt haben wir August. Ein bisschen Zeit bleibt also noch.«
    »Was meinst du?«, fragte er.
    »Störtebeker und seine Freunde kapern Schiffe auf der Nordsee. Das geht im Winter nicht, denn dann sind die Wetterbedingungen auf See viel zu schlecht. Hast du nicht selbst erlebt, wie die Arbeit in Hamburg während der Wintermonate zum Erliegen kommt, weil kein Schiff mehr ausläuft?«
    »Habe ich«, bestätigte er. »Es liegt auf der Hand, dass Störtebeker während dieser Zeit nicht kapern kann. Es sind ja keine Schiffe da, die er angreifen könnte.«
    »Kluger Junge!«, spöttelte sie.
    |301| »Und du hast in dieser Zeit auch weniger zu tun.«
    »Ich? Wie kommst du darauf?«
    »Wir wissen beide, dass du kranke und verletzte Freibeuter behandelt hast. Ich habe gesehen, wie eine Kogge die Stierkopfflagge gehisst hat, als sie in Itzehoe ablegte und die Stör hinuntersegelte. Wo ist Störtebeker?«
    »Ich habe keine Ahnung. Du glaubst doch nicht, dass er mir das erzählt?« Sie überraschte Hinrik, als sie unumwunden zugab, mit den Freibeutern bekannt zu sein. »Irgendwo auf der Nordsee. Vielleicht liegen seine Schiffe vor Helgoland auf der Lauer oder irgendwo zwischen den friesischen Inseln. Er ist verdammt schlau. Er ist den Kapitänen der Handelsschiffe immer eine Nasenlänge voraus.«
    »Wie das?«
    Sie war unerwartet gesprächig. Offenbar hatte sie nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass sie ihm vertrauen konnte. Mit Recht ging sie davon aus, dass er mit niemandem über die Sache sprechen würde.
    »Zum Beispiel macht er die Handelsschiffe viel früher aus als sie ihn.«
    »Tatsächlich? Wie schafft er das?«
    »Er macht sich auf See unsichtbar.«
    »Unsichtbar? Wie soll das gehen?« Schlürfend trank er einen Schluck Fleischbrühe, die vorzüglich schmeckte.
    »Er versteckt sich hinter dem Horizont und verlängert den Mast seines Schiffes um etwa dreißig Fuß. Dann schickt er einen Ausspäher hinauf, der Ausschau nach anderen Schiffen hält. Störtebeker wartet den günstigsten Moment für den Angriff ab und schlägt dann zu. Bisher immer erfolgreich. Er berechnet den Kurs der Handelsschiffe, folgt ihnen in der Nacht, um dann im ersten Morgenlicht anzugreifen, wenn niemand damit rechnet.«
    »Und wie finde ich ihn?«, fragte er rundheraus.
    |302| »Gar nicht«, beschied sie ihm. »Wenn du ihm unbedingt begegnen willst, wird er dich finden. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    Er stellte den Becher mit der Brühe ab. Fragend blickte er die

Weitere Kostenlose Bücher