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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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jetzt am Grasbrook.«
    »Zum Teufel, davon habe ich gehört. Aber der Scharfrichter hat Euch verschont. Was ist los?«
    »Ich suche Greetje, die Tochter des Arztes Hans Barg.«
    »Und das ausgerechnet in der Dunkelheit? Meint Ihr nicht, dass die Jungfer längst schläft?« Gromann rülpste.
    »Sie ist verschwunden. Ich fürchte, sie ist einem Verbrechen zum Opfer gefallen.«
    »Moment mal!« Der Händler trat von einem Bein aufs andere, und Hinrik ließ ihm Zeit, an einer Hausmauer seine Blase zu entleeren. »Mir ist etwas aufgefallen. Es |292| war gestern Nacht. Zwei Männer haben jemanden auf ein Schiff geführt. Ich glaube, es war eine Frau. Der Kopf war unter einem schwarzen Sack versteckt. Sie hat sich gewehrt, konnte aber gegen die beiden Männer nichts ausrichten. Das Schiff hat bald abgelegt und ist in Richtung Elbe verschwunden.«
    »Und Ihr habt nichts getan?«
    »Was hätte ich tun sollen?« Gromann fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Um ehrlich zu sein – um diese Zeit war ich schon besoffen. Bevor ich begriffen hatte, was hier passiert, war alles vorbei. Tut mir leid. Es könnte Eure Greetje gewesen sein.«
    »Was war das für ein Schiff?«
    »Weiß ich nicht. Ich war besoffen.«
    »Das sagtet Ihr bereits. Aber irgendetwas an dem Schiff muss Euch doch aufgefallen sein.«
    »Für mich sieht ein Schiff wie das andere aus.«
    Er schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben. Stark schwankend ging er davon. Hinrik hielt ihn nicht auf. Er glaubte zu wissen, was geschehen war. Von Cronen hatte seine Frau ermordet, und Greetje wusste davon. Deshalb hatte er sie verschwinden lassen. Hinrik fürchtete, dass er sie an irgendwelche Seeleute verkauft hatte. Ein schreckliches Schicksal stand ihr bevor. Vielleicht hatte er auch den Auftrag gegeben, sie auf hoher See zu töten und ihren Leichnam spurlos verschwinden zu lassen.
    Verzweifelt dachte er darüber nach, was er tun konnte, um sie zu retten. So sehr er sich aber den Kopf zerbrach, ihm wollte nichts einfallen. Er wusste nicht einmal, auf welches Schiff sie gebracht worden war. Es gab nur eine Möglichkeit. Er musste zu von Cronen gehen und ihn zwingen, den Aufenthaltsort Greetjes preiszugeben.
    Gromann kehrte zurück. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.
    |293| »Mir ist was eingefallen«, meinte er. »Das Schiff hatte einen Namen, aber ich konnte ihn nicht lesen. Also eigentlich kann ich überhaupt nicht lesen. Aber ich weiß, wie Buchstaben aussehen. Die waren ganz anders als unsere.«
    Er zuckte mit den Achseln und entfernte sich wieder, um sich dann nicht mehr blicken zu lassen. Während Hinrik überlegte, was Gromann gemeint haben könnte, stürzten sich zwei Wachmänner mit Helmen und Lanzen auf ihn, die wie aus dem Nichts heraus aufgetaucht waren.
    »Ihr seid verhaftet, Hinrik vom Diek«, brüllte einer so laut, dass es durch den ganzen Hafen schallte.
    Hinrik schlug blitzschnell zu, traf den einen in der Magengrube und den anderen am Kopf. Beide gingen zu Boden. Hinrik rannte davon. Wieder einmal.
    »Es ist Hinrik vom Diek, haltet ihn! Er darf nicht entkommen!«, schrie einer der Wachmänner und löste einen wahren Aufruhr aus. Beim »Goldenen Anker« und bei anderen Kneipen flogen die Türen auf, und zahlreiche Männer nahmen die Verfolgung auf. Das Echo ihrer Schritte hallte durch die Gassen.
    Aus allen Richtungen stürmten bewaffnete Wachmänner heran, von denen einige gar mit einem Bogen auf ihn schossen. Er hörte die Pfeile vorbeizischen und in das Holz der Hauswände einschlagen. Wieder und wieder gelang es ihm, auszuweichen, einen Gang zwischen den Häusern oder eine Toreinfahrt zu finden, durch die er seinen Häschern entkommen konnte. Ihm war so klar wie nie zuvor, dass er aus Hamburg verschwinden musste. Hier herrschte von Cronen, und er verteidigte sein Reich mit aller Macht. Es gab keine andere Möglichkeit. Er musste die Hansestadt verlassen.
    Er floh auf die Trostbrücke hinaus, schwang sich über das Geländer und ließ sich in das Fleet fallen, das die |294| Alster mit der Elbe verband. Er nutzte diesen einen Moment, in dem seine Verfolger nicht wussten, wo er sich aufhielt. Während er sich unter der Brücke im nachtschwarzen Schatten verbarg, hörte er wie aus allen Richtungen Schritte nahten und wie die Wachmänner sich miteinander verständigten.
    Als sie über die Brücke gelaufen waren, tauchte er unter und schwamm zu einem kleinen Kahn hinüber, der in der Nähe vertäut am Ufer lag. Vorsichtig und so

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