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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Der Ausspäher konnte bis weit über die Baumwipfel hinaufsteigen und über die Dünen hinweg auf die See hinaussehen.
    In einer Kammer neben der Küche entdeckte Hinrik einige Fallen, die er im Wald aufstellte. Dann zündete er ein Feuer im Kamin der Küche an und richtete sich in einem der Schlafräume ein. Er war müde und sehnte sich danach, bequem und warm zu schlafen. Vorher allerdings wollte er etwas essen. Von den Vorräten, die Spööntje ihm mitgegeben hatte, war so gut wie nichts mehr vorhanden. Und so war er froh, als er in einer der Fallen ein Wildhuhn entdeckte. Schon bald drehte es sich auf einem Spieß über dem offenen Feuer. Die erste warme Mahlzeit |310| nach so vielen Tagen tat ihm gut, ließ ihn aber auch spüren, wie müde er war.
    Er legte sich in die Kammer und schlief augenblicklich ein. Am nächsten Morgen erfrischte er sich in der Nordsee, spülte sich in einem Bach das Salz von der Haut und richtete sich dann in dem wehrhaften Bau hinter den Palisaden ein, um sich auf die Rückkehr der Freibeuter vorzubereiten. Als er gerade dabei war, in der Küche aufzuräumen und die Reste seiner Mahlzeit vom vergangenen Abend zu beseitigen, vernahm er ein leises Rascheln hinter sich. Er reagierte augenblicklich, ging in die Hocke, drehte sich zur Seite und rollte sich über den Boden. Er sah einen Mann mit einem mächtigen schwarzen Bart und einem gewaltigen Haarschopf über sich. Eine riesige Axt sauste auf ihn herab. Sie verfehlte Hinrik um Haaresbreite. Entschlossen holte der Unbekannte zu einem zweiten tödlichen Hieb aus.
     
    Das Wasser war kalt. Obwohl sie gar nicht auftauchen wollte, ruderte Greetje instinktiv mit den Armen. Außerdem trieb sie die Luft, die sich unter ihren Röcken verfangen hatte, wieder an die Oberfläche. Bevor sie recht begriff, was geschah, fühlte sie, wie harte Männerhände sie an den Armen packten. Jemand zerrte an ihrem Haar. Sie schnappte nach Luft und sah die beiden Männer über sich. Sie schlug wild um sich. Vergeblich. Ihre Bewacher waren sehr viel stärker als Greetje, und sie nahmen keine Rücksicht.
    »Dafür hast du eine Tracht Prügel verdient«, fluchte der Mann mit der Beule auf der Stirn. »Was meinst du, was man mit uns macht, wenn du so kurz vor dem Ziel absäufst?«
    »Lasst mich«, flehte sie. »Ich will nicht zu denen an Bord.«
    |311| »Wir liefern dich ab«, entschied der andere und hielt sie mit beiden Händen fest. »Wenn du dich später umbringst, ist das nicht unsere Sache. Bis dahin aber wirst du schön brav sein, oder wir versohlen dir deinen hübschen Hintern.«
    Der andere ruderte weiter, und das Boot legte an. Raue Männerhände legten sich um ihre Arme und hievten sie an Bord der »Möwe«. Ihr Fuß verfing sich in einem Tau, und sie stürzte auf die Planken. Ein bärtiger Mann stellte seinen Fuß auf ihren Bauch. Ängstlich und erschrocken blickte sie in die von Wind und Wetter gegerbten Gesichter der Freibeuter, die sie auslachten und mit derben Sprüchen neckten. Mühsam raffte sie ihre Röcke zusammen und bedeckte ihre Beine.
    Plötzlich wurde es still. Sie vernahm die sonore Stimme eines Mannes, der Befehle erteilte. Offenbar führte er das Kommando und wurde von allen respektiert.
    »Bringt sie in eine Kabine und gebt ihr trockene Sachen«, hörte sie ihn sagen.
    Der Fuß gab sie frei, und sie stand auf. Als einige der Männer die Hand nach ihr ausstreckten, schlug sie um sich, und als das nichts half, versetzte sie einem von ihnen eine schallende Ohrfeige. Die anderen lachten ausgelassen.
    »Seht euch die kleine Kratzbürste an, was die für ein Temperament hat«, brüllte jemand. »Mit der werden wir viel Spaß haben.«
    Man stieß sie in eine Kammer. Greetje schlug die Tür augenblicklich hinter sich zu, verriegelte sie von innen und lehnte sich schwer atmend mit dem Rücken dagegen. Bis dahin hatte sie sich nicht anmerken lassen, wie schwach sie sich angesichts dieser Männer fühlte. Jetzt konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie weinte bitterlich.
    |312| Die nassen Kleider klebten ihr am Körper. Sie waren kalt und ließen sie frösteln. Greetje versicherte sich, dass die Tür gut verschlossen war, dann zog sie sich aus und legte trockene Kleider an, von denen es in der Kabine mehr als genug gab. Sie stammten offenbar von einem Raubzug der Freibeuter. Sie begann sich allmählich zu erholen.
    Plötzlich vernahm sie Alarmrufe. Das Segel raschelte, und jemand schlug eine Trommel. An Deck herrschte auf einmal

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