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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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und das Weite suchen. Wenn du bleibst, werden sie deinen Schädel zu den anderen auf die Brücke nageln.«
    »Ich bin nicht hierhergekommen, um vor Euch Reißaus |318| zu nehmen, sondern um mich Euch anzuschließen.«
    Sein Gegenüber lachte. Laut und dröhnend.
     
    An Deck herrschte Chaos. So jedenfalls kam es Greetje vor. Die Kämpfe hatten Schäden hinterlassen. Die geplünderte Ware stapelte sich bis hoch über die Reling hinaus. In aller Eile schleppten die Piraten ihre Beute unter Deck, denn tiefschwarze Wolken zogen auf. Es würde Regen geben, der die Stoffe und die vielen anderen Güter verderben würde. Überall lagen stöhnend Verletzte herum, nicht in der Lage, sich selbst um ihre blutenden Wunden zu kümmern. Auch der rothaarige Mann, der sich ihrer annahm, konnte nicht alle retten.
    Inmitten dieses Durcheinanders stand ein dunkelblonder Mann mit hoher, gewölbter Stirn, einer kräftigen, leicht gekrümmten Nase und einem krausen Bart. Seine graublauen Augen schienen alles zu sehen, was an Bord geschah. Mit tiefer Stimme erteilte er Befehle, die überall an Bord zu hören waren. Jeder führte augenblicklich und ohne Widerspruch aus, was ihm aufgetragen worden war.
    Greetje blieb zögernd stehen. Doch der Riese gönnte ihr keine Pause. Rücksichtslos trieb er sie voran, indem er ihr die Faust in den Rücken stieß, so dass sie dem Kommandanten um ein Haar vor die Füße gefallen wäre. Sie konnte sich gerade noch an einem Fass abfangen.
    Ihre Blicke glitten hinüber zu dem Wrack des anderen Schiffes, das unaufhörlich sank. Sie sah zahlreiche Männer, die sich in kleinere Boote gerettet hatten und sich nun mächtig in die Ruder legten, um sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Kurz entschlossen versuchte sie, an die Reling zu laufen. Sie wollte sich ins |319| Meer stürzen, um der Hölle zu entgehen, die auf der »Möwe« auf sie wartete. Sie schaffte es nicht. Eine Männerhand packte sie und riss sie herum. Mit weiten Augen blickte sie in das Gesicht des Mannes, der das Kommando führte.
    »Aber, aber, Mädchen«, sagte er. »So schnell wollen wir uns nicht trennen.«
    Sie stieß ihm die Hände vor die Brust, um sich zu befreien, doch er hielt sie fest. »Ich glaube nicht, dass die da drüben Euch in ihren Rettungsbooten mitnehmen. Die geben sich nicht die Mühe, Euch aus dem Wasser zu ziehen. Sie sind froh, dass sie selber mit heiler Haut davonkommen.«
    »Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass ich früher oder später über Bord springe«, fuhr sie ihn an. »Bevor ich mich mit Ratten einlasse, will ich lieber sterben. Und Eure Verletzten könnt Ihr auch gleich ins Meer werfen. So wie Ihr sie behandelt, wird keiner von ihnen überleben.«
    Er sah sie erstaunt an. »Versteht Ihr etwas von der Behandlung von Wunden?«
    »Allerdings! Aber ich bin froh über jeden von Euch, der verreckt.«
    »Das glaube ich Euch nicht.« Ein beinahe scheues Lächeln glitt über sein Antlitz. Es wollte nicht so recht zu diesem eisenharten Mann passen. »Ich bin Claas, den man Störtebeker nennt.«
    »Von mir aus!« Verächtlicher hätte sie es nicht sagen können.
    »Ich möchte, dass Ihr Euch um die Verletzten kümmert. Ihr braucht keine Angst zu haben. Niemand wird Euch ein Haar krümmen. Ich weiß nicht, was Euch die Leute erzählt haben, die Euch zu uns gebracht haben. Ich habe jedenfalls nichts Böses mit Euch vor. Wenn Ihr mir helft, meine Leute zu versorgen, steht Ihr ab sofort unter meinem |320| persönlichen Schutz. Nach jedem Kampf haben wir hohe Verluste, weil so viele Verwundete sterben.«
    Sie sah ihn durchdringend an und versuchte zu ergründen, ob er es ehrlich meinte. Er hielt ihrem Blick stand, und sie neigte dazu, ihm zu glauben. Sie spürte, dass sie es mit einem Mann zu tun hatte, der anders war als die anderen Männer an Bord. Ob sie ihm vertrauen konnte, musste sich zeigen. Vorläufig verschaffte er ihr ein wenig Luft. Bislang hatten sich ihre schlimmen Befürchtungen nicht bewahrheitet. Sie war jedoch klug genug, zu wissen, dass noch kommen konnte, was sie befürchtete. Möglicherweise war Störtebeker tatsächlich ein Mann, der zu seinem Wort stand. Vielleicht aber auch nicht. Sie konnte nicht ausschließen, dass er nur mit ihr spielte, um sie später einem grausamen Schicksal zu überlassen.
    Fraglos war er ein Mann, der mit den Kerlen an Bord fertig zu werden wusste, ganz gleich wie barbarisch und eigensinnig sie sein mochten. Tatsache war, dass er ein Anführer war, bei dem Stärke

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