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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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könnte ich einige Leute in Schwierigkeiten bringen, auf deren Hilfe ich angewiesen bin. Ich bin nur Teil eines Geflechts von Interessen. Ich bin wie ein Fischer, der das Netz durch das Wasser zieht. Auch ein Fischer würde keine Knoten lösen und ein Loch entstehen lassen, das das Netz wertlos macht. Ich hoffe, Ihr versteht?«
    »Man hat meinen Vater in den Tod getrieben und mich bei Nacht und Nebel aus meinem Haus entführt. Und das alles, weil ich bezeugen kann, dass ein hoch angesehener Hamburger Ratsherr ein Verbrecher und Mörder ist.« Sie ließ ihn nicht aus den Augen, weil sie hoffte, dass er sich |326| durch irgendeine Geste verraten und jenen Charakter offenbaren würde, vor dem sie sich fürchtete. Vorläufig machte sie keine Anzeichen dafür aus.
    »Ihr habt keine Angst.«
    »Sollte ich sie haben?«
    »Nein, Ihr steht unter meinem Schutz. Euch wird nichts geschehen.«
    »Ich will nicht nach London«, eröffnete sie ihm.
    »Wir setzen Euch so bald als möglich in einem sicheren Hafen ab«, versprach er ihr. »Morgen vielleicht oder übermorgen. Viel länger wird es nicht dauern. Bis dahin werdet Ihr Euch um die Verletzten kümmern. Ich nehme an, es zieht Euch nicht nach Hamburg zurück?«
    »Nein. Man würde mich erneut entführen. Und dann würde alles noch viel schlimmer als jetzt. Ich nehme nicht hin, was geschehen ist. Irgendwann werde ich nach Hamburg zurückkehren, aber ich werde meine Rückkehr sorgfältig vorbereiten, so dass ich mich gegen meine Widersacher wehren kann.«
    »Mehr möchte ich gar nicht wissen.« Er hob abwehrend die Hände. »Ob Ihr Rachepläne habt oder nicht, ist Eure Privatsache.«
    Sie verstand. Er spielte auf das Geflecht von Beziehungen an, in dem er sich bewegte. Möglicherweise richteten sich ihre Rachegelüste gegen jemanden, der in dieses Geflecht eingesponnen war. Seine Andeutungen waren schon brisant genug. Aus ihnen ließ sich schließen, dass er Verbindungen nach Hamburg hatte. Es konnte sein, dass sie bis in die höchsten Kreise reichten. Greetje hatte Mühe, ihre Gedanken zu ordnen. Unwillkürlich fragte sie sich, welche Vorteile einflussreiche Hamburger davon hatten, wenn die Freibeuter ihre Schiffe überfielen und plünderten.
    Ihre Schiffe oder die ihrer Wettbewerber!
    Wenn sie die richtigen Schlüsse zog, dann tobte in der |327| Hansestadt ein gnadenloser Kampf unter den Handelsherren, der mit Hilfe der Freibeuter ausgefochten wurde.
    Bei ihren Kaperfahrten in der Ostsee, die gegen Dänemark gerichtet waren, wurden die Likedeeler von den Mecklenburgern – mit den Städten Rostock und Wismar an der Spitze – gedeckt und mit Freibriefen ausgestattet. Das war der Höhepunkt eines Streits, der seinen Ursprung darin hatte, dass Albrecht König von Dänemark werden sollte. Mit diesem Plan – den Albrechts Großväter, der dänische König Waldemar Atterdag und der mecklenburgische Herzog Albrecht II. schon lange vorher entwickelt hatten – war der dänische Adel nicht einverstanden. Er steuerte dagegen und stützte die dänische Königin Margarete. Diese erwarb nach dem Tode ihres Mannes Hakon VI. zusätzlich die Königskronen von Norwegen und Schweden und beherrschte somit den ganzen Norden – mit Ausnahme des stark befestigten Stockholm. Die Stadt wurde von mecklenburgischen Kräften geschützt und von Kaperschiffen mit Lebensmitteln versorgt, weshalb man die Besatzungen dieser Schiffe Vitalienbrüder nannte.
    In diesem Königreich hatte die Hanse klare wirtschaftliche Führung. Sie strebte jedoch niemals nach politischer Macht, sondern konzentrierte sich einzig und allein auf den Handel. In Rostock und Wismar wurden die Kaperschiffe ausgerüstet und für ihre Fahrten vorbereitet, hier wurde die Beute ausgeladen und verkauft. Das schnelle Geld lockte, und so wurden nicht nur dänische Schiffe gekapert, sondern auch die Schiffe anderer Hansestädte. Greetje erinnerte sich noch gut an ein Gespräch, das sie mit ihrem Vater geführt und in dem sie ihre Verwunderung darüber ausgedrückt hatte. Hans Barg hatte ihr klargemacht, dass die geplünderten Handelsherren gar keinen so großen Schaden hinnehmen mussten. Sie erhöhten die Preise für ihre Waren und holten so die Verluste wieder
    |328| herein. Oft machten sie dabei sogar noch saftige Gewinne. Verlierer war die Bevölkerung von Dänemark, Schweden und Mecklenburg, die die erhöhten Preise bezahlen musste.
    Aus und vorbei war es mit der Kaperfahrt in der Ostsee, als sich Königin Margarete mit den Reichsräten

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