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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Anführer der Freibeuter zu begegnen. Er lachte. »Das ist nicht wahr!«
    »Ihr könnt es ruhig glauben.« Der Likedeeler ließ sich |331| ächzend auf einen Stuhl sinken, wobei er sich die Handgelenke massierte, die von roten Striemen gezeichnet waren. »Ich bin Gödeke Michels. Euer Vater war ein toller Bursche.«
    »Ich habe ihn geliebt, und ich vermisse ihn sehr.«
    »Er ist tot?«
    »Ermordet. Rücklings mit einer Armbrust erschossen.«
    »Wer hat das getan?«
    »Der bronzene Ritter.«
    Dieses Mal wurden die Augen des Bärtigen dunkel und die Lippen schmal.
    »Er ist Euch schon begegnet, Gödeke Michels?«
    »Ich habe gesehen, wie er gemordet hat. Leider konnte ich ihn nicht daran hindern. Störtebeker wäre ihm beinahe zum Opfer gefallen. Ganz nah bin ich an diesen Teufel herangekommen. Wenige Schritte haben gefehlt, und ich hätte ihn von seinem Pferd gerissen und ihm das Visier geöffnet. Dann hätte ich gewusst, wer sich unter der bronzenen Rüstung verbirgt.« Er zog ein Holzbrett heran, schnitt sich Brot und Wurst ab und aß gierig, als hätte er tagelang hungern müssen.
    »Ihr wollt Euch uns anschließen?«, fragte Michels.
    »Das habe ich vor.«
    »Warum?«
    »Weil ich einen Richter im Genick habe, der mich unbedingt aufs Schafott bringen will.«
    Der Bärtige lachte erneut, als habe er einen guten Witz gehört.
    »Ihr habt Euch einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht, Hinrik«, erklärte er, nachdem er einen kräftigen Schluck Wasser aus einem Krug getrunken hatte. »Es ist vorbei mit der Kaperfahrt auf der Ostsee. Die Hanse hat mit der Unterstützung der Flotte des Deutschen Ordens unsere Flotte aus der Ostsee vertrieben. Damit ändert sich |332| alles für uns. Es ist an der Zeit, aufzuhören. Es gibt keine Kaperbriefe mehr. Wer weitermacht, ist ein gesetzloser Pirat – und die enden alle früher oder später auf dem Schafott. Es ist also ziemlich egal, welchen Weg Ihr einschlagt. Ob Ihr gleich nach Hamburg geht oder ob Ihr einen Umweg über die Piraterie macht – Ihr endet doch auf dem Schafott.«
    »Und Ihr?«
    »Wir hören auf. Störtebeker, ich und alle anderen. Übrig bleiben ein paar Unbelehrbare. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr Euch denen anschließen.«
    Er bot Hinrik eine Art Waffenstillstand an, der noch lange nicht bedeutete, dass er ihm vertraute, und schon gar nicht, dass er in den Kreis der Freibeuter aufgenommen wurde.
     
    Zwei Tage nach dem Gespräch, das Greetje mit Störtebeker hatte, glitt die »Möwe« in eine Flussmündung, schob sich später in einen ruhigen Seitenarm, verdeckt durch Bäume und Büsche, und legte an. Greetje sah nach den Verwundeten. Sie waren alle auf dem Weg der Besserung, und Greetje war zufrieden.
    Sven trug ein paar Sachen von ihr an Land. Er war ein kleiner, beinahe kahlköpfiger Mann. Ein mächtiger Schnauzbart zierte seine Oberlippe. Wie er über die ausgelegten Planken die »Möwe« verließ, machte er den Eindruck, als wäre er ebenso breit wie lang. Seine Beine waren kurz und stämmig, und die Muskeln seiner Oberarme und seiner Schultern sprengten beinahe sein Hemd. Die Mannschaft nannte ihn den »alten Schweden«, obwohl er gar nicht von dort stammte, sondern aus Nordnorwegen kam.
    Als Greetje sich von Störtebeker verabschiedet hatte, |333| warteten außer Sven drei weitere Männer auf sie, um ihr sicheres Geleit zu geben. Bevor sie aufbrachen, drehte sie sich noch einmal um und blickte zu dem Kommandanten der Freibeuter zurück. Er schien damit gerechnet zu haben und nickte ihr zu. Sie hob die Hand zum Gruß, dann machte sie sich mit den anderen auf den Weg.
    Störtebeker war ihr nach wie vor ein Rätsel. Sie hatte Vertrauen zu ihm gefasst. Sein Versprechen hatte er gehalten. Ihr war nichts geschehen. Die Frage war, ob das auch in Zukunft galt.
    Mit ihren Begleitern durchquerte sie Wälder und Sümpfe. Der »alte Schwede« erklärte ihr, dass sie ihr Ziel unter anderen Umständen auch mit dem Schiff erreichen könnten, dabei aber die Stadt Bremen passieren müssten, was zurzeit mit einem zu hohen Risiko verbunden sei. Um unnötigen Gefahren aus dem Weg zu gehen, habe Störtebeker sich für den beschwerlichen, dafür aber sicheren Landweg entschieden.
    Sie erreichten einen Bauernhof, wo sie nach kurzer Verhandlung fünf Pferde erhielten, um die Reise auf deren Rücken fortzusetzen. Der Weg führte nun über offenes Marschland, bis sie nach anderthalb Tagen in eine kleine Stadt mit einer trutzigen Kirche kamen. Sven sagte, dass sie in Verden

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