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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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der drei Teilstaaten in der Kalmarer Union darauf einigte, dass als Thronfolger Erich vom Pommern, der Großneffe der Königin, gekrönt wurde. Zugleich wurde festgelegt, dass die drei Länder Dänemark, Schweden und Norwegen auf ewig in einer Union vereinigt bleiben sollten. Damit war der Hauptstreitpunkt vom Tisch, und es gab keinen Grund mehr, Störtebeker und andere Freibeuter mit Kaperbriefen auszustatten. Jetzt taten sich die Mächte der Hanse zusammen und vertrieben alle Piraten aus der Ostsee. Dass deren Treiben auf der Nordsee weiterging, schien zunächst niemanden zu stören. Doch Greetje wusste, dass dieser Eindruck täuschte.
    Sie konnte nicht anders, als Störtebeker darüber aufzuklären.
    Er lächelte in seiner eigenartigen Weise, die ihn scheu und zurückgezogen wirken ließ.
    »Ich weiß. Eine Flotte unter dem Kommando von Admiral Nikolaus Schocke ist aufgebrochen. Sie sucht nach uns. Dummerweise in einem Teil der Nordsee, in dem wir uns nicht aufhalten.«
    Sie ließ sich nicht anmerken, wie überrascht sie war. Störtebeker war weitaus besser informiert, als sie erwartet hatte. Er fürchtete die Flotte der Hanse nicht.
     
    Sein Gefangener saß ruhig auf dem Boden, die gefesselten Hände im Rücken. Mit unversöhnlicher Abneigung beobachtete er Hinrik auf Schritt und Tritt. Wohin auch immer |329| er ging, die Blicke des Bärtigen folgten ihm, als wollte er sich jedes Detail einprägen, um es später gegen ihn zu verwenden.
    Hinrik aber ließ sich nicht nervös machen. Als er dabei war, ein Messer zu schärfen, um Brot zu schneiden, wandte er sich ihm zu. »Habt Ihr einen Namen?«
    Der Bärtige antwortete nicht. Hinrik trat auf ihn zu und ging vor ihm in die Hocke, wie er es schon einmal getan hatte. »Ich könnte Euch Dummkopf nennen. Oder wäre Euch etwas anderes lieber? Vielleicht Hundesohn?«
    »Wie wär’s mit Henker? Ja, sag ruhig ›mein Henker‹ zu mir!«
    »Kein schöner Name«, erwiderte Hinrik.
    »Und du? Hat deine nichtsnutzige Mutter dir einen Namen gegeben?«
    »Hinrik«, stellte er sich vor. »Ritter Hinrik vom Diek zu Heiligenstätten.«
    Die Augen des Bärtigen wurden groß, und er richtete sich so weit auf, wie es ihm die Fesseln erlaubten. Er schnappte nach Luft wie ein Fisch und brachte nur eine Art Grunzen heraus. Schließlich schüttelte er energisch den Kopf.
    »Was ist los?«, fragte Hinrik. »Ist Euch der Name bekannt?«
    »Ritter! Das erklärt alles. Deshalb könnt Ihr so verteufelt gut kämpfen. Mich hat noch keiner besiegt. Keiner! Ihr seid der Erste. Verdammt, das gefällt mir nicht. Ich hätte es mir denken können. Ein Ritter.« Er schloss die Augen und atmete einige Male tief durch. Dabei schüttelte er den Kopf, als könnte er nicht begreifen, was geschehen war. »Seid Ihr der Sohn von Friedrich vom Diek zu Heiligenstätten?« Der Bärtige blickte ihn mit ganz anderen Augen an als zuvor. Jetzt spiegelte sich kein Hass mehr in ihnen, sondern Neugier – und Respekt.
    |330| »Allerdings. Der bin ich.«
    Der Bärtige lachte, bis ihm die Tränen in die Augen traten.
    »Bindet mich los«, forderte er. »Wenn Ihr der Sohn von Friedrich seid, diesem Hundesohn, dann sind wir keine Feinde, sondern stehen auf der gleichen Seite.«
    »Ihr habt meinen Vater gekannt?« Hinrik erhob sich und wich zurück. Er setzte sich auf einen Hocker. Er bezweifelte, dass sein Gefangener seine Gesinnung geändert hatte. Zudem schmeichelte es ihm nicht gerade, dass der Bärtige von der gleichen Seite gesprochen hatte. Bisher war er, Hinrik, ein rechtschaffener Bürger gewesen, der noch nie das Gesetz gebrochen hatte. Das sah der Bärtige allerdings anders, und Hinrik konnte es ihm nicht verübeln. Immerhin hatte er sich entschieden, sich den Freibeutern anzuschließen. Diesem ersten Schritt sollten weitere folgen, und die hatten mit Gesetzestreue nichts mehr zu tun. Es war müßig, darüber nachzudenken.
    »Und ob ich ihn gekannt habe. Im Burgund habe ich ihn kennengelernt. Ein Ritter von Schrot und Korn, ein Schrank von einem Kerl, der saufen konnte wie drei und beim Huren auch nicht von schlechten Eltern war.«
    Hinrik beschloss, ihn zu befreien. Er ging zu ihm und schnitt die Fesseln durch. Je früher sie ihre Feindschaft beendeten, desto besser. Er hütete sich jedoch, ihm den Rücken zuzuwenden. Rückwärts entfernte er sich von ihm.
    »Euer Name?«
    »Gödeke Michels.«
    Jetzt war es an Hinrik, überrascht zu sein. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht damit, auf Anhieb einem der

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