Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
Vom Netzwerk:
hatte. Nur zu gut erinnerte er sich an die Verse, die Fieten Krai vorgetragen hatte und in denen der Anführer der Freibeuter als ein wüster Mordbrenner dargestellt wurde, während andere ihm ein ausgesprochen rücksichtsvolles Verhalten bescheinigten und behaupteten, er habe noch nie einen Menschen getötet.
    Als sie sich Störtebeker bis auf wenige Schritte genähert |339| hatten, fragte er mit dunkler, sonorer Stimme, ohne sich nach ihnen umzudrehen: »Wer ist das, Gödeke? Wen bringst du mir?«
    »Hinrik vom Diek zu Heiligenstätten«, entgegnete der Bärtige. »Er ist Ritter und will sich uns anschließen. Er hat mich im Kampf besiegt.«
    Jetzt wandte sich Störtebeker ihnen zu. Unter kräftigen, dunklen Brauen heraus blickte er Hinrik an, als wollte er ihm bis auf den Grund seiner Seele sehen. Die graublauen Augen ließen keinerlei Gefühlsregung erkennen.
    Plötzlich zog er mit so schnellen Bewegungen, dass ihnen das Auge kaum folgen konnte, ein Beil aus einer Halterung, warf es Hinrik zu und hatte im nächsten Moment einen Enterhaken in der Hand, der auf einem armlangen Holzstiel saß. Er zögerte keinen Augenblick und sprach keine Warnung aus. Er griff an. Instinktiv riss Hinrik das Beil hoch und wehrte den messerscharf geschliffenen Haken ab, indem er den Schlag blockierte. Störtebeker gönnte ihm keine Atempause, und er gab ihm keine Gelegenheit, über das nachzudenken, was geschah. Er attackierte ihn erneut, und dabei führte er den Hieb so wuchtig und schnell aus, dass Hinrik lediglich etwas blitzen sah. Es war die Erfahrung zahlloser Kämpfe, die ihn rasch genug reagieren ließ, wobei er nicht verhindern konnte, dass der Haken ihm die Haut am Oberarm zerschnitt.
    Erbost ob des Angriffs, den er als heimtückisch und ungerechtfertigt empfand, ging er zur Offensive über, nahm ebenso wenig Rücksicht wie Störtebeker. Immer wieder prallten die Waffen krachend gegeneinander. Wortlos tänzelten die beiden Kämpfer auf dem Deck hin und her, versuchten einander zu täuschen, um auf diese Weise Vorteile zu erringen. Sie schenkten sich nichts.
    Von Anfang an war klar, dass dies ein mit aller Härte |340| und Entschlossenheit geführter Kampf war, bei dem jeder, dessen Konzentration nachließ oder der nicht entschlossen und konsequent vorging, mit schwersten Verletzungen rechnen musste.
    Nachdem Hinrik seine Überraschung überwunden hatte, konnte er seine Position ein wenig verbessern. Dennoch musste er immer wieder kleinere Verletzungen hinnehmen. Schließlich verzichtete er darauf, die Deckung Störtebekers zu durchbrechen, und konzentrierte sich einzig und allein darauf, den hölzernen Stiel der Waffe mit dem Beil zu durchtrennen. Doch auch das gelang ihm nicht. Dafür trieb sein Gegner ihn mit einem Mal vor sich her, bis Hinrik über einen Tampen stolperte, der auf dem Deck lag. Er stürzte zu Boden. Im gleichen Moment war Störtebeker über ihm, hielt seine rechte Hand fest, so dass er sich nicht wehren konnte, und setzte ihm die Spitze des Enterhakens an die Kehle.
    »Respekt«, sagte er, wobei sein Atem unmerklich schneller ging als zuvor, so als hätte er keinen anstrengenden Kampf hinter sich. »Jetzt glaube ich Euch, dass Ihr Ritter seid. Ein anderer hätte nicht so kämpfen können.«
    Er ließ ihn los, legte den Enterhaken zur Seite und nickte seinem Freund Gödeke Michels anerkennend zu, als wollte er sagen: Den Mann können wir gebrauchen.
    »Ich hätte Euch töten können«, versetzte Hinrik, während er sich erhob.
    »Natürlich«, gab Störtebeker gelassen zu. »Das war das Risiko.«
    Ein eigenartig scheues Lächeln glitt über sein bärtiges Gesicht, so als wäre ihm unangenehm, dass er Hinrik in dieser Weise herausgefordert hatte.
    »Kommt«, lud er die beiden ein. »Wir gehen in meine Kabine. Ich möchte mehr von Euch wissen, Hinrik vom Diek. Ich habe ein ausgezeichnetes Bier von meiner letzten |341| Kaperfahrt mitgebracht. Ich hoffe, Ihr sauft ebenso gut, wie Ihr kämpfen könnt.«
    Störtebeker wollte wissen, wer er war und weshalb er sich ihm anschließen wollte. Er war nicht mehr der Kaperfahrer, der durch einen offiziellen Brief geschützt war, sondern ein Pirat, der ständig damit rechnen musste, von seinen Feinden angegriffen zu werden, auf welche Art auch immer. Hinrik war sich klar darüber, dass es keinen Grund für ihn gab, ihm zu vertrauen.
    Gödeke Michels öffnete ein Fass Bier und füllte die Krüge.
    »Wenn Hinrik so ist wie sein Vater, dieser Himmelhund, können wir ihn

Weitere Kostenlose Bücher