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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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gebrauchen«, sagte der Bärtige und hob auffordernd den Krug.
    Störtebeker machte seinem Namen alle Ehre. »Stürzden-Becher« leerte den Krug auf einen Zug und reichte ihn seinem Freund zum Nachfüllen. Hinrik trank weitaus weniger, folgte dem Beispiel des Kommandanten jedoch, als die beiden Freibeuter ihn schweigend ansahen, keineswegs einverstanden mit seiner Bescheidenheit. Sie warteten darauf, dass er ihren Erwartungen entsprach.
    Er griff zum Becher und bediente sich.
     
    Regen peitschte ihm ins Gesicht, und es war so kalt, dass er fröstelte. Schlaftrunken griff er um sich, die Augen fest geschlossen. Er suchte nach einer Decke, aber seine Hand griff ins Leere. Er hatte das Gefühl, der Schädel würde ihm platzen. Ihm war so übel, dass er aufstehen wollte. Er verlor jedoch das Gleichgewicht und verzichtete darauf. Mit halb geöffneten Augen sichtete er die Reling, die kaum anderthalb Schritte von ihm entfernt war. Er kroch hinüber und zog sich daran hoch. Und dann gewann sein revoltierender Magen die Oberhand und zwang ihn minutenlang |342| , an der Reling auszuharren und von sich zu geben, was nicht bei ihm bleiben wollte.
    Stöhnend ließ er sich auf die Schiffsplanken sinken. Er legte die Arme um seinen Kopf, um sich vor dem Regen zu schützen. Er fühlte, wie der Regen auf seinen Körper trommelte. Während er sich noch bemühte, sich zu erinnern, was geschehen war, vernahm er ein Lachen. Es weckte seine Lebensgeister, so dass er sich schneller aufrichtete, als ihm guttat. Er warf einen Blick auf den Mann, der wenige Schritte von ihm entfernt unter einer Strohmatte saß und ihn beobachtete. Aber dann wurde ihm schon wieder so schlecht, dass er erneut an die Reling eilte.
    »Ihr nennt die Welt ein Jammertal«, sang der Mann und zupfte die Saiten seines Instruments, das er im Arm hielt.
    Dabei säuft es sich so schön!
    Hat Krüge voll Bier ohne Zahl.
    Lässt keinen Ritter leer ausgehn.
    Man säuft so gern am Tische
    und kotzt danach für Fische!
    Ist der Magen total mau,
    wird der Karpfen blau!
    Wie ein Häuflein Elend saß Hinrik auf den Schiffsplanken. Der Regen klatschte auf ihn herab und durchnässte ihn bis auf die Haut. Der Gaukler vor ihm schien sich auf einer Wippe zu befinden, die ständig in Bewegung war und direkten Einfluss auf seinen Magen nahm. Einen höchst unerfreulichen Einfluss.
    Er schloss die Augen und versuchte, seine Umgebung zu erfassen. Ihm wurde klar, dass die Schnigge nach wie vor in ruhigem Gewässer lag und dass es allein sein Gleichgewichtssinn war, der ihm Bewegungen vortäuschte.
    |343| »Immerhin lebt Ihr noch«, stellte Fieten Krai kichernd fest. »Also müsst Ihr Störtebeker von Eurer Ehrlichkeit überzeugt haben. Hielte er Euch für einen Verräter oder einen Spion der hansischen Handelsherren, hätte er Euch längst oben an den Mast gehängt. Mit einer Schlinge um den Hals, versteht sich.«
    »Wie kommt Ihr hierher?«, fragte Hinrik mühsam.
    Der Sänger kam auf ihn zu, reichte ihm ein Stück Brot und riet ihm, langsam zu essen, um seinen Magen zu beruhigen. »In vino veritas«, fuhr er fort. »Im Wein liegt die Wahrheit. Nun, Störtebeker hat es mit Bier versucht. Ihr könnt sicher sein, dass Ihr ihm alles erzählt habt, was er wissen wollte.«
    »Wenn Ihr mir nicht sofort sagt, was Ihr hier treibt, bringe ich Euch um«, drohte der Ritter. »Und dann frage ich Störtebeker, ob das in seinem Sinne war.«
    Unter Aufwendung aller Kräfte kam Hinrik auf die Beine. Unter dem Wams zog er seinen kostbaren Dolch hervor.

|344| Namenlose Angst
    Zunächst glaubte Greetje, dass sie allein mit dem Arzt Jordan Birger in dem Arzthaus lebte. Doch das war nicht der Fall. Es waren seltsame Stimmen und Geräusche zu hören, die sie darauf aufmerksam machten, dass noch jemand da war. An ihrem ersten Abend in seinem Haus bereitete Greetje ein Essen zu. Der Arzt hatte ihr wortlos ein Stück Kalbfleisch und etwas Gemüse auf den Tisch gelegt und ihre Frage, ob er etwas Warmes wünsche, mit einem knappen »Ja« beantwortet. Sie war eine sehr gute Köchin und brachte das Essen mit einigem Stolz und der Gewissheit auf die Tafel, dass es dem Hausherrn munden würde.
    Jordan Birger kam mürrisch in die Wohnküche, würdigte den gedeckten Tisch keines Blickes, schaufelte sich eine mächtige Portion Fleisch und Gemüse in eine Schale und verschwand damit. Greetje hörte, wie die Stufen zum zweiten Stock hinauf knarrten. Sie glaubte, Stimmen zu vernehmen. Eine Tür wurde geöffnet. Dann war es

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