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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Essbares. Auf dem Fußboden und in den Ecken.«
    »Es reicht«, rief das Hausmädchen. »Das werde ich dem Doktor sagen. Ich lasse mich nicht vertreiben. Ich arbeite gut und wahre sein Geheimnis.«
    Bene war schlichten Gemüts und kam sich ungemein wichtig vor. Das war Greetje klar.
    »Ich habe nicht vor, dich zu vertreiben«, beteuerte sie ruhig. »Ich helfe dem Arzt bei seiner Arbeit. Das ist alles. Und sein Geheimnis interessiert mich nicht.«
    Bene neigte den Kopf zur Seite. Mit einem Blick zur Decke flüsterte sie: »Es ist aber ein besonderes Geheimnis.«
    »Das geht mich nichts an. Und dich schon gar nicht.«
    »Pah, das muss ich ja wohl wissen, ob es mich was angeht oder nicht. Jedenfalls gehe ich nicht hinauf. Keine tausend Teufel kriegen mich dorthin.«
    »Du warst noch nie oben? Wer macht denn da sauber?«
    »Seit die Frau tot ist – der Doktor.«
    »Und er will nicht, dass man ihm hilft?«
    »Geh doch rauf!«, zischte Bene und verdrehte die Augen. »Wenn er dich erwischt, wirft er dich hinaus.« Sie biss sich auf die Lippen, weil sie erkannt hatte, dass sie eine Chance vergeben hatte. In ihrer Einfältigkeit versuchte |348| sie, ihren Fehler rückgängig zu machen. »Ich an deiner Stelle würde da oben mal nachsehen. Du kannst ja warten, bis der Doktor außer Haus ist, damit er es nicht merkt.«
    »Das interessiert mich alles nicht. Ich gehe zum Einkaufen.«
    »Eigentlich ist das meine Aufgabe«, maulte das Hausmädchen. »Aber ich habe hier gut zu tun. Du kannst es ruhig übernehmen.« Damit ging sie zur Tür hinaus und setzte sich frech in die Sonne, schloss die Augen und entspannte sich. Greetje ging lächelnd darüber hinweg. Bene war ein törichtes und dummes Ding, aber sie stellte keine Gefahr für sie dar. Sie nahm ein paar Münzen, die Jordan Birger auf den Tisch gelegt hatte, und verließ das Haus.
    Sie hatte nicht ganz die Wahrheit gesagt. So gleichgültig, wie sie getan hatte, stand sie dem Geheimnis Birgers nicht gegenüber. Dass er sie strikt angewiesen hatte, sich nur im Erdgeschoss aufzuhalten, trug nicht eben zu ihrer Beruhigung bei. Sie fragte sich, was für ein Geheimnis Birger hütete. Was war so wichtig, dass niemand davon wissen durfte? Frau Birger war tot. Das ging aus den Worten Benes hervor. Hatte er in den oberen Geschossen seines Hauses eine Art Erinnerungsstätte errichtet, ein Heiligtum, das niemand entweihen durfte?
    Sie versuchte nicht mehr daran zu denken und sich abzulenken, immer wieder aber kehrten ihre Gedanken zu dem Haus des Arztes und seinem Geheimnis zurück.
    Besser wäre es gewesen, wenn Jordan Birger ihr gesagt hätte, sie solle ihm nicht nach oben folgen, weil er seine Ruhe haben und nicht gestört werden wolle. Das hätte sie ohne weitere Fragen akzeptiert. Nun aber nagte die Neugier an ihr und brachte wieder und wieder die Frage auf, welches Geheimnis die oberen Stockwerke umgab. Sie beschloss |349| , den Arzt irgendwann danach zu fragen, auf keinen Fall aber der Neugier nachzugeben und heimlich hinaufzusteigen, um das Geheimnis selbst zu lüften.
    Sie kämpfte mit sich, beschloss dann aber abzuwarten. Sie durfte nichts überstürzen, sie hatte Zeit genug. Vielleicht gelang es ihr, das Vertrauen des Arztes zu gewinnen, so dass er sie eines Tages einweihte.
    Nachts schlief Greetje schlecht. Träume suchten sie heim, in denen sie die Treppen hinaufstieg, höher und immer höher, bis sie meinte, die Wolken berühren zu können. Dabei näherte sie sich einer Tür, die mit mehreren Riegeln gesichert war. Sie erreichte sie nicht, sondern wachte auf, von eigenartigen Geräuschen im Haus beunruhigt. Sie vernahm die Schritte des Arztes, der sich in einem Zimmer über ihr befand. Der Fußboden knarrte unter seinen Füßen, und das Gebälk des alten Hauses ächzte und stöhnte, als wäre es ein lebendes Wesen.
    Eigenartige Schreie durchdrangen die Nacht. Im Halbschlaf glaubte sie, dass sie von einer Frau stammten, die gequält wurde, doch dann begriff sie, dass sie die Schreie einer Katze gehört hatte, die um das Haus strich. Schritte kamen die Treppe herunter. In der Küche klapperte Geschirr, und dann ging Jordan Birger wieder nach oben. Er stieg bis ins oberste Stockwerk hinauf und schien mit jemandem zu sprechen.
    Obwohl es nicht kalt war in der Kammer, fröstelte Greetje. Gar zu gern hätte sie gewusst, was über ihr geschah und zu wem Störtebeker sie geschickt hatte. Hatte sie es mit einem schwermütigen Mediziner zu tun, oder war Jordan Birger geisteskrank?

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