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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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wollen sie nicht stundenlang in der See herumplantschen, |363| um dann doch zu ertrinken. Sie ersaufen lieber gleich. Das erspart ihnen die ganze Qual.«
    Hinrik schwamm zum Ufer, legte sein Wams ab und kehrte nackt in den Fluss zurück, um ausgiebig zu schwimmen und zu tauchen, bis er sich besser fühlte. Als ihm einer von der Besatzung trockene Kleider gab, ging es ihm schon recht gut. Allein das schlechte Gewissen quälte ihn, weil er die Kontrolle über sich verloren hatte. Dabei hatte er sich nach den Ereignissen auf dem Hof des Grafen Pflupfennig geschworen, nie wieder zu viel zu trinken.
    Fieten Krai setzte sich zu ihm und gab ihm den Dolch zurück.
    »Was treibt Ihr hier?«, fragte Hinrik.
    »Was man so macht bei seinen Freunden.«
    »Bei seinen Freunden?« Überrascht blickte er den Gaukler an. »Ich erinnere mich recht gut an die Schauermärchen, die Ihr über Störtebeker verbreitet habt. Da war von Mord und Totschlag die Rede, von einem gnadenlosen Kommandanten, der ausnahmslos jeden abschlachtet.«
    Fieten Krai lachte. »Ja – und? Solche Berichte machen es Störtebeker sehr viel leichter, die Besatzungen anderer Schiffe zu überwinden. Sie wehren sich gar nicht erst, sondern geben gleich auf und bitten um Gnade, die ihnen dann auch gewährt wird. Auf diese Weise wird nicht unnütz Blut vergossen. Auf beiden Seiten. Das ist genau, was Störtebeker und Gödeke Michels wollen.«
    Er zog die buschigen schwarzen Augenbrauen so weit hinauf, dass sie beinahe die bunt bestickte Ledermütze berührten.
    »Störtebeker ist ein glänzender Taktiker«, fuhr er fort. »Er ist kein Haudegen, der stur auf seine Gegner zurennt und alles auf eine Karte setzt. Er geht nach einem Plan vor, den er sorgfältig ausarbeitet. Er weicht geschmeidig |364| aus, wo er nicht weiterkommt, und er schlägt genau dort zu, wo er den größten Erfolg erwartet. Er kämpft nicht nur mit seiner Körperkraft, sondern vor allem mit seinem kühlen Verstand, und damit ist er allen anderen überlegen.«
    »Dieses Mal hat er Glück gehabt«, stellte Hinrik nüchtern fest und zeigte auf die »Möwe«, deren Flanke von dem Einschlag der Kanonenkugel schwer gezeichnet war. Zimmerleute waren dabei, das Loch mit einfachen Mitteln zu schließen. Die Reparatur selbst sollte auf einer Werft auf Helgoland durchgeführt werden. Da starker Wind aufgekommen war, und der Seegang bis zu zehn Fuß hoch war, konnte es Störtebeker nicht riskieren, hinauszufahren.
    »Das Glück ist auf seiner Seite«, behauptete Fieten Krai. »Das war immer so. Nur, dass er keine Kaperfahrten mehr machen wird, sondern sich zurückziehen und sich um seine Familie kümmern wird.«
    »Er hat eine Familie?«
    »Wenn er Euch mehr darüber erzählen möchte, wird er es tun«, wich der Gaukler aus. »Jedenfalls wird er zum ersten Mal seit Jahren das Schiff verlassen und festen Boden betreten.«
    Wenige Schritte von ihnen entfernt war ein junger Mann damit beschäftigt, die Töpfe zu reinigen, in denen die täglichen Mahlzeiten für die Besatzung der »Möwe« zubereitet und gekocht wurden. Es waren schwere Eisentöpfe. Einer von ihnen machte sich plötzlich selbständig und trieb langsam davon. Der Koch bemerkte es, eilte hinterher, ergriff ihn und brachte ihn zum Ufer zurück.
    »Moment mal«, rief Hinrik. Er erhob sich und ging zu dem Koch, nahm ihm den Topf ab und setzte ihn ins Wasser. Der Topf schwankte leicht, trieb jedoch auf dem Wasser.
    |365| »Was ist los?«, fragte Fieten Krai.
    »Ich habe eine Idee«, antwortete der Ritter, wobei er zur »Möwe« hinüberblickte. »Man könnte das Leck mit Eisenplatten schließen. Die halten einer Kanonenkugel stand. Ja, man könnte ein Schiff komplett aus Eisen bauen.«
    »Was?« Der Gaukler lachte über das ganze Gesicht. »Ein Schiff aus Eisen? Mir war schon immer klar, dass Ihr ein besonderer Vogel seid, aber jetzt habt Ihr den Verstand verloren.«
    »Habt Ihr nicht gesehen, dass der Eisentopf schwimmt?«
    »Und ob ich das gesehen habe!« Fieten Krai nahm den Topf, setzte ihn aufs Wasser und gab ihm einen leichten Fußtritt, so dass er sich zur Seite neigte, voll Wasser lief und augenblicklich unterging. »Das passiert mit einem Schiff aus Eisen. Es säuft ab. Es wird niemals Schiffe aus Eisen geben. Niemals. Ein Topf schwimmt für eine Weile, richtig, aber ein ganzes Schiff? Das ist grober Unsinn.«
    Er wandte sich an die Männer von der »Möwe«, die sich in der Nähe aufhielten, und berichtete ihnen lachend von Hinriks Vorschlag. Er

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