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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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das?«
    »Ich war vorhin auf dem Hof des Grafen. Ich habe mich gewundert, dass Ihr so lange weggeblieben seid. Ich dachte mir, vielleicht braucht Ihr Hilfe, nach Hause zu kommen. Und da habe ich Tuz gesehen. Eines ihrer Pferde hat ihn über die Brücke geschleift, und dann haben die Knechte ihn in eine Grube geworfen.«
    Hinrik legte den Arm tröstend um den Mann, der ihm immer treu gedient hatte. Hans war schlichten Gemüts und ein guter und zuverlässiger Knecht, der vor allem mit dem Vieh umzugehen wusste und der sich jedem einzelnen Tier mit ganzem Herzen widmete. Jetzt versuchte Hinrik, dem Knecht zu erklären, dass er betrogen worden war und den Hof für immer verlassen musste.
    »Ich bin kein Bruder Leichtfuß«, beteuerte er. »Ich setze mein Leben nicht leichtfertig aufs Spiel, und das Leben und Wohlergehen derer, die mir anvertraut sind, erst recht nicht. Natürlich habe auch ich Karten gespielt, aber nie um hohe Einsätze. Dass ich alles Hab und Gut aufs Spiel setze, ist vollkommen ausgeschlossen. So etwas würde ich nie tun.«
    Er musste noch einige Male schildern, was ihm widerfahren war, bis der Knecht die ganze Tragweite des Geschehens endlich begriff.
    »Dann gehöre ich jetzt dem Grafen?«, fragte Hans. »Nein! Ich bin frei. Ihr habt mir die Freiheit gegeben. Ich bin kein Leibeigener. So wenig wie die anderen auf diesem Hof. Keiner von uns ist ein Höriger.«
    »Wo sind sie überhaupt?« Hinrik ging bis zur Tür und blickte zum Gesindehaus hinüber. »Wieso lassen sie sich nicht blicken?«
    »Die Männer des Grafen haben gesagt, dass sie jeden einem Femegericht übergeben, der das Haus verlässt«, berichtete Hans. Er hatte blondes Haar, das ihm in breiten |39| Strähnen ins Gesicht fiel. Mit grober Hand strich er es zur Seite. Er war kleiner und sehr viel älter als Hinrik. »Ich habe keine Angst vor ihnen. Ich glaube, es war nicht mehr als Geschwätz.«
    »Sei vorsichtig«, ermahnte Hinrik ihn. »Die Männer trinken Bier. Sehr viel und sehr schnell. Sie sind schon jetzt betrunken, und sie saufen weiter.«
    »Warum jagt Ihr sie nicht vom Hof, Herr?«
    Hinrik schüttelte lächelnd den Kopf. »Sie haben mich geprügelt und geschunden. Wenn es nicht so dunkel wäre, könntest du sehen, was sie mit mir gemacht haben. Ich kann kaum noch aus den Augen schauen, und es fällt mir schwer, mich auf den Beinen zu halten. In diesem Zustand kann ich nichts gegen sie ausrichten.« Er zog den treuen Knecht an sich und klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken. »Ich kann dir und den anderen nur einen Rat geben. Macht euch aus dem Staub. Ihr seid alle freie Menschen, wenn ihr aber auf dem Hof bleibt, wird der Graf euch zu Leibeigenen machen.«
    »Wir haben es immer gut bei Euch gehabt, Herr«, erinnerte sich Hans wehmütig. Er wollte, dass Hinrik blieb und sich weiterhin um sie kümmerte. Er und die anderen Knechte und Mägde waren freie Menschen, wenngleich sie diesen Status vielleicht gar nicht nutzen konnten. Nachdem Hinrik sie als Leibeigene von seinem Vater übernommen hatte, hatte er ihnen als Erstes die Freiheit gegeben. Er hatte sie gut bezahlt, sich um sie gekümmert und versucht, ihnen ein wenig an Selbstbewusstsein zu vermitteln. An den langen Winterabenden, an denen es auf dem Hof wenig zu tun gab, hatte er ihnen sogar Lesen und Schreiben beigebracht. Ob sie auf eigenen Füßen stehen konnten, würde sich nun zeigen.
    »Wohin geht Ihr, Herr?«, fragte Hans. Er klammerte sich an ihn. »Könnt Ihr mich nicht mitnehmen?«
    |40| »Nein«, lehnte Hinrik ebenso bedauernd wie mitfühlend ab. »Es geht nicht. Für mich wird es schwer genug. Die Zeiten sind vorbei, in denen man allein dadurch Reichtümer erwerben konnte, dass man Ritter ist. Die Zeiten sind vorbei.«
    »Das verstehe ich nicht, Herr.«
    Hinrik wollte antworten, doch plötzlich wurde es im Haupthaus laut. Die Männer des Grafen schrien sich an. Geschirr zerbrach, und etwas fiel polternd zu Boden. Die Fensterläden flogen auf, und Hinrik sah, wie sich Flammen ausbreiteten. Das Holz des Hauses war staubtrocken. Jetzt schien es das Feuer förmlich anzuziehen.
    »Wir müssen löschen, Hans«, rief er. »Schnell, die anderen müssen uns helfen. Vor allem müssen sie das Vieh herausholen.«
    Er lief zum Brunnen, der sich in der Mitte des Hofes befand, kam aber nicht so schnell voran, wie er wollte. Er war zu schwach. Mit klammen Händen hängte er einen Eimer an den Haken über dem Brunnen und ließ ihn hinunterfallen. Dann kurbelte er ihn mühsam wieder

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