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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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hoch. Selbst diese einfache Arbeit fiel ihm schwer. Seine Muskeln schmerzten, und die Arme wollten ihm nicht gehorchen. Er meinte, die Schläge noch immer zu spüren, die ihm die Schergen des Grafen versetzt hatten. Zudem fegte der Wind über den Hof, und während sich die Kälte durch die Kleidung biss, fachte der Wind das Feuer immer mehr an.
    Hinrik sah, wie die Flammen in die Höhe schossen, und wusste, dass er sie nicht mehr löschen konnte. Der Hof war fraglos verloren. Jetzt noch Wasser ins Feuer zu schütten, war vergebliche Mühe und würde nichts mehr retten. So blieb nur noch eine Möglichkeit. Während Hans laut schreiend zum Gesindehaus hinübereilte, um das Gesinde herbeizurufen, schüttete Hinrik sich das eiskalte |41| Wasser über den Kopf, um sich vor den Flammen zu schützen. Er stolperte über den Hof und versuchte, in das Haus einzudringen, um den Wachen des Grafen bei der Flucht aus dem Inferno zu helfen. Als er die Haustür öffnete, fauchte ihm das Feuer entgegen. Sofort züngelten die Flammen hinauf bis zum Schilfdach und setzten es in Brand. Das Feuer schoss förmlich an den Schrägen hinauf, gierig nach Stroh und Holz.
    Viel zu spät eilten Knechte und Mägde herbei. Während einige von ihnen Wasser aus dem Brunnen schöpften und Hinrik zu Hilfe kamen, öffneten andere die großen Türen zu den Stallungen und holten Kühe, Schweine, Pferde und das Federvieh heraus. Laut schreiend trieb er sie zur Eile an, und dann forderte er sie auf, Wasser über ihn zu gießen. »Ich kann sie nicht drin lassen«, stammelte er. »Ich kann nicht zusehen, wie sie verbrennen.«
    Entsetzt beobachteten sie eine Gestalt, die durch die Flammen zur Haustür hinauszukommen versuchte. Ein vergeblicher Kampf. In der Tür brach der Mann zusammen. Bevor sie ihn mit Wasser übergießen und herausziehen konnten, stürzten vom Dachstuhl brennende Balken herab und begruben ihn unter sich. Hinrik gab dennoch nicht auf. Er stürzte sich ins Feuer, packte den Mann bei den Händen, war jedoch zu kraftlos, um ihn aus den Flammen und von der Last der Balken befreien zu können. Brüllend und fauchend wälzte sich ihm die Hitze entgegen, so dass ihm keine andere Wahl blieb. Er musste ihr weichen. Wenige Schritte vom Haus entfernt sank er auf die Knie. Als seine Kleidung zu brennen begann, schüttete Hans Wasser über ihn, um die Flammen zu ersticken und ihn abzukühlen. Mehrere Knechte schleiften ihn vom lodernden Feuer weg, das mittlerweile das ganze Haus erfasst hatte.
    »Das Vieh ist zu nah am Haus. Treibt es über die Brücke |42| «, befahl Hinrik mit heiserer Stimme. »Und dann schüttet Wasser über das Gesindehaus, damit es nicht Feuer fängt.«
    Erschöpft sank er auf die Brunnenmauer und sah zu, wie das Gesinde das Vieh rettete und über die Brücke jagte. Um die Hühner, Enten und Gänse brauchte sich kaum jemand zu kümmern. Sie stoben in wilder Flucht davon und verschwanden rasch in der Dunkelheit.
    Hinrik sah, wie glühende Partikel zur Scheune hinüberwirbelten und wie das Gebäude Feuer fing. Er konnte nichts dagegen tun.
    Hans kam mit einem prall gefüllten Beutel zu ihm. »Ich habe etwas zu essen für Euch, Herr«, sagte er und sah verlegen zu Boden. Bisher war undenkbar gewesen, dass der Ritter in Not geraten könnte und Hilfe brauchte. Der Knecht hatte ihn immer nur als den Gebenden erlebt, als einen Mann, an dem sich alle aufrichten konnten und der stets wusste, was zu tun war.
    »Danke.« Gerührt nahm Hinrik den Beutel entgegen. Er spürte die Liebe und die Hilflosigkeit des Mannes, der wie die anderen begriffen hatte, dass er von nun an auf eigenen Beinen stehen musste.
    »Ihr solltet jetzt gehen, Herr«, empfahl Hans ihm mit stockender Stimme. »Das Feuer ist weithin zu sehen. Sogar drüben auf dem Gut des Grafen. Er wird kommen, und wenn er Euch hier antrifft, wird er Euch beschuldigen, den Hof angezündet zu haben. Uns wird er nicht glauben.«
    Das war ein erstaunlicher Gedanke für ein so schlichtes Gemüt. Er zeigte, wie sehr sich Hans mit Hinriks Schicksal beschäftigte und was er, Hinrik, ihm bedeutete, aber auch, wie er seine eigene Lage und die des anderen Gesindes einschätzte. Sie alle waren freie Menschen. Ob der Graf ihren Status anerkennen und sie so behandeln würde, wie es ihnen zustand, war zu bezweifeln. Viel wahrscheinlicher |43| war, dass er seine Macht schonungslos gegen sie nutzen würde.
    Hinrik erkannte sofort, dass Hans recht hatte. Für den Grafen lag der Verdacht nahe, dass er,

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