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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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weiter.«
    »Es ist nicht ungefährlich«, warnte Hinrik. »Es könnte sein, dass man schon auf uns wartet. Wir sollten in der Dunkelheit eintreffen. Und die ›Möwe‹ sollte nicht in Itzehoe auf uns warten, sondern die Stör so schnell wie möglich wieder verlassen. Auf dem Fluss sitzt sie in der Falle. Wenn die Hanse mit einer Flotte an der Mündung der Stör auf sie wartet, ist sie verloren.«
    Störtebeker nickte zustimmend.
    »Das ist genau, was ich auch denke.« Er trank einen kräftigen Schluck. »Wir werden die Schnigge auf keinen Fall gefährden, und wir werden uns dem Gut des Grafen mit größter Vorsicht nähern. Auf dem Weg zur Elbe haben wir genügend Zeit, darüber nachzudenken, wie wir entkommen können, falls es Schwierigkeiten gibt.«
    Hinrik begriff, dass Störtebeker ihn wieder einmal einer Prüfung unterzogen hatte. Nach wie vor vertraute er ihm nicht blind, sondern war vorsichtig genug, seine Haltung auszuloten.
    Das Gespräch war zu Ende. Störtebeker und Gödeke Michels wollten sich erheben, doch Hinrik bat sie zu bleiben.
    »Auf ein Wort noch. Ich habe eine Entscheidung getroffen, von der Ihr wissen solltet. Ich fahre mit Euch zu |432| Pflupfennig und kämpfe mit Euch, sollte es Schwierigkeiten geben. Ganz gleich, was es ist, ich bin an Eurer Seite. Aber das war es dann. Die Kaperfahrt kommt für mich nicht in Frage.«
    »Ich habe mich wohl verhört!«, fuhr Gödeke Michels ihn an.
    »Nein. Ich bleibe dabei. Für mich ist Schluss, bevor es begonnen hat.«
    »Wer nicht an Bord ist, hat keinen Anteil an der Beute«, sagte Störtebeker mit sonorer Stimme. Mit prüfendem Blick sah er Hinrik an.
    »Der Ritter kneift«, brummte Gödeke Michels in seinen Bart. Er war enttäuscht. »Er ist schlicht und einfach feige! Er hat seinen Ritterstatus aufgegeben, um Bauer zu werden. Und jetzt verkriecht er sich unter einem Weiberrock.«
    »Hütet Eure Zunge«, entgegnete Hinrik. »Eine Tracht Prügel könnte meine Antwort sein.«
    »Wir haben andere Sorgen!« Störtebeker hob seine Stimme kaum merklich, doch das genügte, um Gödeke Michels zur Räson zu bringen. Er legte sowohl ihm als auch Hinrik eine Hand auf den Arm. »Auf keinen Fall werden wir bei der Mannschaft den Eindruck entstehen lassen, dass wir uns nicht einig sind. Wir fahren nach Itzehoe. Alle drei. Und dabei bleibt es. Was danach kommt – warten wir es ab.«
    Zwei Stunden später setzte die »Möwe« das Segel und nahm Kurs auf die Elbmündung. Der Wind hatte gedreht und kam aus Nordwest. Er trieb das Schiff rasch voran.
    Hinrik stand an der Reling und blickte zur Insel zurück, bis sie im Dunst verschwand. Vor dem Ablegen hatte er sich noch einmal mit Greetje getroffen und sein Versprechen bekräftigt. Wie erwartet hatte sie Verständnis dafür, dass er das Geheimnis um den bronzenen Ritter klären |433| musste, weil sie sonst nirgendwo und niemals in Sicherheit leben konnten.
    An Bord herrschte hektische Betriebsamkeit. Störtebeker ließ den Mast um etwa dreißig Fuß verlängern, und ein »Wiesel«, ein kleiner, wendiger Mann, kletterte bis zur Spitze hinauf. Dort angekommen, stellte er die Füße in die Schlaufen eines Seils. Hinrik spürte an Deck, wie die Schnigge in den Wellen schwankte. Wenn er zur Mastspitze hinaufblickte, wo der Späher nach anderen Schiffen Ausschau hielt, wurde ihm schwindelig, denn der Mann wurde bei jeder Seitenneigung der »Möwe« um wenigstens sieben bis acht Fuß hin und her geschwenkt. Dieser aber lachte immer wieder und zeigte damit an, dass er es genoss, so hoch über dem Schiff zu schweben.
    Hin und wieder meldete er, dass weit und breit kein anderes Schiff zu sehen war. Stunden vergingen, ohne dass sich etwas ereignete. Schließlich machte sich die Tide bemerkbar, und die »Möwe« kam nicht mehr voran. Störtebeker lief flachere Gewässer an und ließ Anker werfen. Nun hieß es warten, bis die Tide kenterte, so dass sie mit auflaufendem Wasser in die Elbmündung einfahren konnten. Stunden vergingen, und alle waren zur Tatenlosigkeit verdammt. Doch dann war es endlich so weit. Die Flut setzte ein, und zugleich frischte der Wind auf, so dass sie erstaunlich schnell vorankamen. Dennoch mussten sie sich immer wieder der Natur mit ihrem Wechsel von Ebbe und Flut beugen. Als dann auch noch der Wind drehte, blieb Störtebeker nichts anderes übrig, als nahe dem Ufer Schutz zu suchen und zu ankern.
    »Mit diesem Segel können wir sogar gegen den Wind segeln«, erklärte er Hinrik, »aber wenn die Strömung

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