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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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schönen Körper. Mit leichter Hand öffnete sie sein Wams, und dann sanken sie ins Bett, um das Reich der Liebe für sich zu erschließen und einander zu entdecken.
     
    »Er ist da, Vater«, meldete Christoph von Cronen. Er blieb in der offenen Tür zum Arbeitszimmer seines Vaters stehen. Doch Wilham von Cronen ließ sich Zeit. Ruhig und gelassen setzte er die Berechnung einer Warenlieferung fort.
    »Er soll warten«, antwortete er, ohne von seinen Papieren aufzusehen.
    Sein Sohn zog die Tür leise zu und entfernte sich. Erst jetzt hob Wilham von Cronen den Kopf. Er konnte hören, wie der Holzstumpf am Bein seines Sohnes bei jedem Schritt auf den Boden knallte. Bei jedem Schritt verspürte er einen Stich in seinem Herzen.
    Er wartete, bis es ruhig geworden war, und nun glitt ein grimmiges Lächeln über seine Lippen. Er wusste genau, was er tat. Er war nicht nur von Macht besessen, sondern vermochte sich auch sehr gut in andere Menschen |424| hineinzuversetzen. So gelang es ihm nicht selten, sie nach seinem Willen zu manipulieren. Es gab nur wenige Ausnahmen. Hinrik vom Diek gehörte etwa zu jenen Menschen, die er nicht so lenken konnte, wie er es wollte. Und Greetje Barg hatte sich auch entzogen. Doch nun war sie aus dem Spiel. Die Arzttochter brauchte er nicht mehr zu fürchten. Sie befand sich – wenn alles nach Plan verlaufen war – im fernen London, wo sie Mühe genug haben sollte, um zu überleben. Hinrik vom Diek allerdings hatte sich als widerborstiger erwiesen als erwartet.
    Nachdem er einige Eintragungen vorgenommen hatte, erhob sich Wilham von Cronen und verließ den Raum, um in einen elegant eingerichteten und mit Kostbarkeiten aus aller Welt ausgestatteten Salon zu gehen, in dem der Besucher auf ihn wartete.
    Es war Thore Hansen, der Henker aus Hamburg. Linkisch stand er neben dem Tisch und drehte verlegen seine Mütze in den groben Händen. Wilham von Cronen begrüßte ihn mit einem flüchtigen Kopfnicken. Er ließ sich in einen der gepolsterten Sessel sinken, bot dem Dänen aber keinen Platz an. Er ließ ihn seine Macht und Überlegenheit spüren.
    »Du hast dich eines schweren Verbrechens schuldig gemacht«, eröffnete der Richter das Gespräch. »Um genau zu sein – du hast einen Mord begangen. Dein Opfer ist ein Wachmann der Stadt Hamburg. Du hast ihm auf der Trostbrücke die Kehle durchgeschnitten und dann so getan, als wäre Hinrik vom Diek der Täter. Es gibt einen Zeugen, der die Tat beobachtet hat. Seine Aussage liegt mir vor. Daher ist es eine Kleinigkeit für mich, dich zum Tode durch das Schwert zu verurteilen und auf den Grasbrook zu bringen. Das wäre doch mal was. Der Henker wird selbst geköpft. Einen Nachfolger für dich zu finden |425| ist kein Problem. Es gibt genügend Bewerber, die dafür in Frage kommen.«
    Zu Tode erschrocken sank Thore Hansen auf die Knie. Tränen liefen über seine Wangen.
    »Ich habe es für Euch getan«, stammelte er und hob flehend die Arme. »Ihr habt ihn verurteilt, hoher Herr, aber er ist seiner gerechten Strafe entkommen, weil Greetje Barg einen Zeugen zur Falschaussage veranlasst hat. Ich wollte Euch helfen, weil ich ihn hasse. Auf dem Grasbrook hat er mich erkannt. Jetzt wissen die Leute, dass ich der Henker bin. Keiner redet mehr mit mir. Alle gehen mir aus dem Weg, so als ob ich die Pest hätte. Und das ist nicht alles. Hinrik vom Diek hat mir meine Greetje genommen, die Frau, die ich liebe und achte. Er hat sie verhext, so dass sie nur noch Augen für ihn hat.«
    Mit versteinerter Miene sah Wilham von Cronen Thore Hansen an, der sich nun vollends vor ihm auf den Boden warf, die Stirn auf die Holzbohlen presste und hemmungslos weinte. Seine Schultern zuckten.
    »Gnade, hoher Herr«, wimmerte der Däne. »Gnade! Ich werde alles für Euch tun, was Ihr von mir verlangt.«
    Der Ratsherr wartete und nutzte die Gunst der Stunde. Thore Hansen litt. Die Angst vor dem Tod ließ ihn zusammenbrechen.
    »Hinrik vom Diek ist Schuld daran, dass du vor mir liegst und dich demütigen musst«, stellte von Cronen fest.
    »Ja, das ist er«, antwortete der Henker, der den Hauch des herabsausenden Schwertes bereits zu spüren meinte. »Er hat die gesamte Ordnung in der Stadt gestört.«
    »Das können wir nicht hinnehmen«, ergänzte der Richter.
    »Nein, das dürfen wir nicht. Die Ordnung ist das Wichtigste in der Stadt.«
    »Das ist die Wahrheit, nach der wir alle leben, nach der |426| wir alle streben. Und du interessierst dich also für Greetje Barg. Eine schöne

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