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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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warmen, zarten Lippen zu küssen.
    »Ich habe Euch etwas Wichtiges zu sagen«, rief Störtebeker ihn aus seinen Gedanken.
    »Was kann denn jetzt noch wichtig sein?«, fragte Hinrik. Es war so dunkel im Kerker, dass sie einander kaum sehen konnten. Geradezu unwirklich erschien ihm, dass ihm der Anführer der Freibeuter unter diesen Umständen etwas mitzuteilen hatte. Sie alle waren zum Tode verurteilt, und Wilham von Cronen würde seine ganze Macht ausspielen, um dafür zu sorgen, dass das Urteil an ihnen vollstreckt wurde. Ausnahmslos. Für sie alle kam es nur darauf an, den inneren Frieden zu finden und sich Gott zu offenbaren. Das irdische Dasein war zu Ende, und keiner von ihnen konnte irgendeine Mitteilung mit ins Jenseits nehmen.
    »Man kann nie wissen! Manchmal hat das Schicksal Überraschungen bereit.«
    »Worum geht es?« Eigentlich interessierte ihn nicht, was Störtebeker ihm mitteilen wollte, dennoch tat es gut, miteinander zu reden und nicht ständig an das Henkersschwert zu denken.
    »Ihr seid wahrscheinlich der Einzige von uns, der nicht |517| weiß, dass wir eine eiserne Reserve haben«, erläuterte Störtebeker. Er sprach so laut, dass alle anderen ihn ebenfalls verstehen konnten. Er hatte keine Geheimnisse vor ihnen. »Ihr seid in Friesland gewesen in unserem Versteck.«
    »Wo mich Gödeke beinahe erschlagen hätte!«
    »Richtig. Unter dem Fußboden der Küche ist eine Kiste versteckt. Sie enthält Gold, Silber und Münzen von erheblichem Wert. Die Kiste mit ihrem Inhalt gehört uns allen zu gleichen Teilen. Wenn wir nun aber sterben, ist sie herrenlos. Wer überlebt, kann sich die Kiste holen und damit verschwinden.«
    »Keiner von uns wird überleben.«
    »So sieht es aus. Aber nun wisst Ihr von der Kiste.«
    »Wer weiß sonst noch davon?«
    »Ich habe Wilham von Cronen vermittelt, dass wir über diese Reserve verfügen und dass sie sich in Friesland befindet. Damit wollte ich uns freikaufen, so, wie es im Vertrag steht. Ich habe nicht verraten, wo genau wir die Kiste versteckt haben. Ich bin sicher, dass von Cronen sich sehr bald auf die Suche machen wird.«
    »Es spielt keine Rolle mehr, ob er uns diese Kiste abnimmt oder nicht«, entgegnete Hinrik. »Wenn wir tot sind, brauchen wir kein Gold mehr.«
    »Lenkt nicht ab, lieber Freund. Jeder von uns weiß Bescheid. Sollte es einigen von uns gelingen, zu entkommen, gehört alles ihnen. Sie müssen den Schatz vor Wilham von Cronen und seinen Schergen holen und damit verschwinden. Geteilt wird zu gleichen Teilen. Immerhin sind wir Likedeeler. Überlebt nur einer, gehört ihm alles.«
    Hinrik lächelte traurig. Das Geld interessierte ihn nicht mehr. Seine Gedanken galten Greetje. Er hörte kaum zu.
    Störtebeker stieß einen Fluch aus.
    |518| »Am meisten ärgert mich, dass die Diebe ungeschoren davonkommen, die meinen Sperberhof überfallen und mir alles Geld gestohlen haben«, sagte er. »Ich werde nicht einmal erfahren, wer sie sind und wer mich verraten hat. Wenn ich wenigstens wüsste, wer der bronzene Ritter ist! Zum Teufel, er und die anderen sind schlimmer, als wir je waren. Sie werden sich ins Fäustchen lachen, wenn unsere Köpfe fallen.«
    »Verflucht, du hast recht«, stöhnte Gödeke Michels. »Als wir auf Kaperfahrt gegangen sind, war uns von Anfang an klar, dass wir dabei Kopf und Kragen riskieren. Bei jedem Überfall auf ein anderes Schiff hätten wir unser Leben verlieren können. Wir waren uns dessen immer bewusst. Ich habe nie Angst vor dem Sterben gehabt, aber auf diese Weise abtreten zu müssen, ist eine Schande. Wenn es so weit ist, werde ich Wilham von Cronen nicht ansehen. Ich will sein Grinsen nicht mitnehmen, wenn es auf die allerletzte Fahrt geht.«
    Hinrik empfand nicht anders als die beiden Freibeuter, die ihm zu Freunden geworden waren. Es war schwer zu ertragen, in einer so bitteren Niederlage den Triumph Wilham von Cronens und seiner Helfer hinnehmen zu müssen. Er träumte, sich an diesem Mann zu rächen, der ihn und alle anderen Freibeuter betrogen hatte, doch immer wieder tauchte die düstere Gestalt des Henkers auf, und er sah das Schwert blitzen. Meistens verspürte er dann heftige Schmerzen im Genick und wachte auf.
    Hinrik flüchtete sich ins Gebet, und immer wieder dachte er an Greetje. Er machte sich Sorgen um sie, weil er immer wieder daran zweifelte, dass sie auf Helgoland tatsächlich in Sicherheit war. Der Hanse war ein entscheidender Schlag gegen die Vitalienbrüder gelungen. Sie hatte die Position der

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