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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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aber gab er ihr mit einer leichten Handbewegung zu verstehen, dass das Gespräch beendet sei und dass sie ihn nun allein lassen solle. Sie stand auf und wandte sich ab, als er plötzlich stammelte: »Halt! Nicht weiter!«
    Erschrocken blieb sie stehen. Er war blass geworden. Mit bebender Hand zeigte er auf die Tür.
    »Immer nach links umdrehen«, forderte er. »Dorthin, wo das Herz sitzt. Niemals nach rechts. Das bringt Unglück.«
    Sie war zu enttäuscht, um über seine Marotte lächeln zu können, tat, was er verlangte und ging hinaus. Sie fragte sich, wie ein Mensch mit solchen Ängsten leben konnte. Alles, was er tat, musste nach einem bestimmten Muster ablaufen, weil er damit unliebsame Wendungen |522| vermeiden wollte. Er schien fest davon überzeugt zu sein, dass bereits eine geringe Abweichung von diesem Muster schwerwiegende Folgen haben musste.
    Sie schloss die Tür hinter sich. Deutlich stand ihr vor Augen, dass ihre Mission erfolglos geblieben war und was dies für Hinrik bedeutete.
    Als sie wenig später auf die Straße hinaustrat, wäre sie beinahe mit Wilham von Cronen zusammengeprallt, der das Rathaus gerade in diesem Moment betreten wollte. Während sie zurückwich, griff er nach ihr und hielt sie an den Armen fest.
    »Meine liebe Greetje«, rief er. »Was für ein Vergnügen, Euch zu sehen.«
    »Lasst mich los!«, fuhr sie ihn an und stieß ihn unwillig von sich.
    »Aber, aber«, lachte er. »Wer wird denn so kratzbürstig sein? Wir sind gute Freunde, oder nicht? Nun ja, ich habe Euren Hinrik verurteilt. Aber das musste ich tun. Schließlich bin ich Richter. Zum Glück habe ich ja schon einen neuen Mann für Euch.«
    »Niemals! Bevor Thore Hansen mich berührt, bringe ich mich um!«
    Wilham von Cronen schüttelte zynisch lächelnd den Kopf. In seinen Augen funkelte die pure Boshaftigkeit.
    »Nun ja, liebe Greetje, eigentlich habt Ihr recht. Ein so ungewöhnlich schönes Mädchen wie Ihr ist zu schade für nur einen Mann. Geht doch ins Hurenhaus. Ich habe Euch einen Platz reservieren lassen.«
    Sie spuckte ihm ins Gesicht, stieß ihn energisch zur Seite und flüchtete.
    Er setzte ihr nach, holte sie nach wenigen Schritten ein und packte sie an den Haaren.
    »Eine winzige Chance hat Hinrik noch«, flüsterte er ihr ins Ohr und kam ihr so nahe, dass sie seine Lippen spürte. |523| »Wenn Ihr übermorgen an meiner Seite auf dem Grasbrook steht, werde ich dafür sorgen, dass er mit dem Leben davonkommt.«
    »Ist das wahr?«, fragte sie zweifelnd.
    Er ließ sie los und legte seine Hand aufs Herz.
    »Bei meiner Ehre«, schwor er. »Ich gebe Euch meinen heiligen Eid darauf, dass ich einen Weg finden werde, ihn in die Freiheit zu entlassen.«
    »Ihr schwört?«
    »Ich schwöre. Ihr habt mein Ehrenwort als Richter und als Ratsherr der Stadt Hamburg!«
    »Gut, dann werde ich dabei sein.«
    »Ein Diener wird Euch abholen und begleiten.«
    »Danke.«
    Sie neigte den Kopf, dann eilte sie davon. Er sah ihr belustigt nach.

|524| Ein Wink des Himmels
    Es war so weit. Die Stimmen der Wärter waren lauter als sonst. Die Eisenriegel wurden aufgestoßen. Schritte hallten durch die Gänge des Verlieses. Kamen näher.
    »Wir sehen uns wieder.« Störtebeker schien unbeeindruckt zu sein. »In einer besseren Welt.«
    Sie standen auf, und als sich die Tür öffnete, traten sie hinaus und stiegen schweigend die Treppe hinauf. Jeder hing seinen Gedanken nach, aber alle waren sich dessen bewusst, dass jede Stufe sie dem Tod näher brachte. Hinrik zählte die Stufen. Als er bei fünfzig angekommen war, versperrten ihm zwei Wachen den Weg und richteten ihre Lanzen auf ihn. Zwei weitere Männer fesselten Störtebeker.
    Auf dem Hof warteten schwere Wagen, mit jeweils zwei Ochsen davor. Hinrik gehörte zu den Ersten, die auf die Ladefläche getrieben wurden. Als er zum Kutschbock sah, stutzte er. Der Mann, der den Wagen führte, war ihm gut bekannt.
    »Gromann«, sagte er. »So sehen wir uns also wieder!«
    »Verdammt, es tut mir leid. Ich muss Geld verdienen und nehmen, was kommt. Auch wenn es so ein verdammter Menschentransport ist.«
    Als fünfzehn Gefangene auf dem Wagen standen, erhielt Gromann den Befehl loszufahren. Er ließ den Ochsenziemer knallen, die Ochsen legten sich ins Geschirr, und der Wagen rollte zum Tor des Hofes hinaus. In den Gassen warteten Hunderte von Neugierigen, die johlten |525| und schrien. Viele von ihnen riefen den Freibeutern Schmähungen zu, einige von ihnen machten derbe Witze.
    »Passt bloß auf,

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