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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Bürgermeister, und ein halbes Dutzend anderer. Dazu eine Gruppe von Bürgern und Bürgerinnen Hamburgs, unter ihnen Christoph von Cronen.
    Und Greetje!
    Hinrik wollte es kaum glauben. Doch sie war es wirklich. Leichenblass saß sie neben einigen Bürgerinnen, die Hände vor Trauer und Entsetzen an den Kopf gelegt. Sie blickte zu ihm herüber.
    Es tat ihm weh, sie auf der Tribüne zu wissen, zumal er sicher war, dass sie nicht freiwillig dabei war. Sie sollte sehen, wie er geköpft wurde. Wilham von Cronen, ein anderer |528| kam wohl nicht in Frage, trieb sein böses Spiel auf die Spitze. Er wollte sie beide quälen, um ihnen das Ende so schwer wie möglich zu machen.
    »Ich verfluche dich, Wilham von Cronen!«, flüsterte er, innerlich bebend vor Zorn und Hilflosigkeit.
    »Es tut mir leid«, stammelte Gromann, als die Wachen die Todeskandidaten vom Wagen trieben. »Oh mein Gott, es tut mir so leid!«
    Während die Karren wegfuhren, mussten sich die Gefangenen in einer langen Reihe aufstellen. Gödeke Michels bildete die Spitze. Er sollte als Erster hingerichtet werden. Jeder Einzelne sollte aus nächster Nähe verfolgen, wie der Vordermann getötet wurde. Jedem sollte in allen grausigen Einzelheiten deutlich gemacht werden, was ihm als Nächstem bevorstand.
    Nun endlich wurde es ruhiger. Als Wilham von Cronen sich erhob, brandete Beifall auf. Die Menge applaudierte dem Mann, dem es gelungen war, Störtebeker und seine Freibeuter aufs Schafott zu führen. »Bezwinger der Piraten«, riefen sie. Der Ratsherr lächelte geschmeichelt. Es war unverkennbar, wie sehr er es genoss, in dieser Weise gehuldigt zu werden. Erst nach geraumer Zeit hob er eine Hand und gebot Ruhe.
    »Die Anklage lautet bei all diesen Männern gleich. Sie wurden der Piraterie, des Raubes, der Plünderungen und zahlloser Morde überführt und zum Tode durch das Schwert verurteilt. Es ist daher nicht nötig, die Straftat eines jeden zu beschreiben. Gödeke Michels. Tritt vor. Henker – walte deines Amtes!«
    Gödeke Michels zögerte keine Sekunde. Mit stolz erhobenem Haupt ging er auf den Henker zu und ließ sich auf die Knie sinken.
    Der Henker hob das Schwert, holte schwungvoll aus und schlug es mit voller Wucht seitlich gegen Gödekes |529| Hals. Ein lautes Stöhnen ging durch die Menge, als der bärtige Kopf in den Sand rollte und der mächtige Körper zur Seite kippte. Zwei Wächter traten heran, packten den Rumpf und schleiften ihn zur einen Seite, ein anderer nahm den Kopf auf und legte ihn zur anderen, als würde das Gericht fürchten, die beiden könnten sich wieder vereinen.
    »Claas Störtebeker! Tritt vor den Henker!«
    »Hinrik«, stieß Störtebeker ächzend hervor. »Der Mann neben Wilham von Cronen . . .!«
    Schon vorher war Hinrik auf den Zuschauer aufmerksam geworden, auf den ihn Störtebeker nun hinwies. Er saß, in sich zusammengesunken und mit tief gesenktem Kopf, auf der Tribüne und bot das Bild eines Mannes, der vor Scham beinahe starb.
    »Störtebeker!«, wiederholte Wilham von Cronen.
    Hinrik sah, dass Störtebeker schwankte. Die Adern an seinem Hals schwollen dick an, während er langsam auf den Henker zuging, den Blick auf den Mann auf der Tribüne gerichtet. Ein Wachmann trat heran, stieß ihm den Schaft seiner Lanze von hinten in die Beine und zwang ihn auf die Knie. Störtebeker spannte die Arme hinter dem Rücken. Mit übermenschlicher Anstrengung zerrte er an seinen Handfesseln.
    »Peer!«, schrie er in höchster Not und überschäumender Wut. »Mein Bruder Peer! Mein eigener Bruder! Du hast Wilham von Cronen verraten, wo das Geld versteckt ist. Du hast den Sperberhof überfallen! Zur Hölle mit dir!«
    Er machte Anstalten aufzuspringen. Sein Körper bog sich wie eine Feder. Die Fesseln zerrissen. Er streckte die Arme nach vorn, als könnte er den Bruder auf diese Weise packen. Er sah den Henker nicht mehr, nicht mehr die Ratsherren. Seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich |530| auf den Bruder, der ihn in schändlichster Weise hintergangen hatte. Ihn wollte er unter allen Umständen erreichen, um ihn für das zu bestrafen, was er getan hatte. Er erhob sich.
    Mehr aber ließ Thore Hansen nicht zu. Er holte aus und schlug mit der ganzen Kraft, die in seinen Armen steckte, und mit erstaunlicher Präzision zu. Das Schwert durchschnitt Störtebekers Hals, trennte den Kopf vom Rumpf. Ein Schrei des Entsetzens ging durch die Menge, denn nur der Kopf fiel, der Körper aber setzte die einmal begonnene Bewegung fort. Er

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