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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Nase auf dem Boden liegen. Das würde seine Rache sein.
    Er riss sich zusammen, hielt sich so gerade wie nur möglich und trat durch das Tor. Christian mit seinem feuerroten wilden Schopf kam auf ihn zu. Zornig sah er ihn an.
    »Wie kann das sein?«, fragte er. »Du lässt dich von einem Knaben verprügeln, dem nun wirklich alles fehlt, was ihn irgendwann zum Ritter machen könnte? Du hast mich blamiert, du Esel!« Und er überraschte Hinrik mit einer derart gewaltigen Ohrfeige, dass er das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte.
    »Verdammt«, schimpfte der Ritter. »Hätte ich mich bloß nicht auf dich eingelassen!« Damit stampfte er davon, ohne ihn noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Hinrik war den Tränen nahe. Seinen ersten Tag als Knappe hatte er sich anders vorgestellt. Ganz anders.
    In den darauf folgenden Wochen ging Hinrik Felix aus dem Weg, wo immer ihm dies möglich war, und er studierte voller Eifer, um Franz zu beweisen, dass sogar ein Dreizehnjähriger noch lernen konnte. Er machte so rasche Fortschritte, dass sich der mürrische Mönch hin und wieder zu einem Lob veranlasst sah.
    Christian dagegen schien gar nicht erst zu versuchen, ihm etwas beizubringen. Der Ritter ließ ihn den Stall ausmisten, das Pferd striegeln und versorgen, er befahl ihm |64| nicht selten, Bier aus der Brauerei der Stadt oder aus dem Kloster zu holen, und kümmerte sich ansonsten nicht um ihn. Hinrik wunderte sich, hütete sich aber, Fragen zu stellen. Er gehorchte und führte schweigend und widerspruchslos aus, was der Ritter ihm befahl, wenngleich ohne große Begeisterung. Er wollte ihm auf keinen Fall einen Grund liefern, ihn aus seinem Dienst zu entlassen.
    Äußerlich gelassen ertrug er den Spott der anderen Knappen, während sich innerlich Wut aufbaute und seine Rachegelüste immer stärker wurden. Ihm war jedoch klar, dass er geduldig sein musste und dass er sich nicht zu früh auf einen Kampf einlassen durfte. Mit unverhohlenem Neid beobachtete er, wie die anderen Ritter ihre Knappen im Kampf schulten, wie sie ihnen beibrachten, das Schwert zu führen, den Dolch im Kampf zu benutzen und auch im Faustkampf zu bestehen.
    Ritter Christian sah selten zu, und wenn er es einmal tat, war sein Blick vom Alkohol getrübt. Sprach er nicht dem Bier zu, suchte er Liebesabenteuer, und das nicht nur in Itzehoe, sondern auch auf den Höfen in der Umgebung. Er wusste genau, wohin er reiten musste, um sich vergnügen zu können. Verließ er die Stadt, musste Hinrik hinter ihm herlaufen, um später auf das Pferd aufzupassen. Manchmal hockte er vom Abend an bis in die frühen Morgenstunden neben dem wuchtigen Ross und wartete.
    Christian band das Pferd stets selbst an einen Baum, bevor er zu einem Liebesabenteuer in eines der Häuser eilte. Eines Abends aber war er nachlässig. Der Alkohol in seinen Adern ließ ihn schwanken und seine Hände unsicher werden. Kaum war er verschwunden, lösten sich die Zügel, und das Pferd machte sich davon. Erschrocken rannte Hinrik hinter ihm her, konnte es jedoch nicht einholen.
    »Bleib stehen!«, schrie er. »Verflucht, der Ritter bringt |65| mich um, wenn ich dich nicht wieder an den Baum binde.«
    Endlich blieb das schwere Ross auf einer Weide stehen, um zu grasen. Es senkte den riesigen Kopf zum Boden. Vorsichtig näherte Hinrik sich dem Pferd. Als er es fast erreicht hatte, schlug es plötzlich aus. Um Haaresbreite verfehlte der Huf seinen Kopf. Erschrocken fuhr Hinrik zurück, sprang dann aber beherzt an den Wallach heran und packte die Zügel. Vergeblich versuchte er, das Tier zurückzuführen. Irgendwann musste er seine Bemühungen aufgeben. Er hielt die Zügel und beschloss, so lange zu warten, bis das Pferd sich satt gefressen hatte. Warum sollte er sich beeilen? Der Ritter ließ sich ebenfalls Zeit und würde nicht vor dem Morgengrauen zurückkehren.
    Weit mehr als eine Stunde verging, bis der Wallach seinen Widerstand endlich aufgab und ihm gehorchte. Er ließ sich führen und blieb nur noch selten stehen, um hier oder da ein paar Kräuter zu naschen. Schließlich stand er wieder an dem Baum, an dem der Ritter ihn festgebunden hatte. Sorgfältig verknotete der Junge die Zügel, bis er ganz sicher war, dass es keine weiteren unangenehmen Überraschungen geben würde. Dann ließ er sich aufatmend ins Gras sinken und streckte müde die Beine aus.
    So ein Pferd ist sehr viel stärker als ich, dachte er. Mit Gewalt richtet man nichts aus. Ich muss mir etwas einfallen lassen, damit

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