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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Er war einsam und nahm jede Zuwendung, die ihm widerfuhr, dankbar an. In welche Gefahr er sich damit begab, war ihm nicht bewusst.
    »Ich möchte dir gern helfen«, fuhr Hans Barg wohlwollend fort und klopfte ihm sanft auf die Schulter. »Am besten, du verkaufst das Haus. Du kannst dich ohnehin nicht darum kümmern, und später, wenn du erst einmal Ritter bist, wird es dich nicht mehr interessieren. Ich |61| könnte einige Kranke im Haus unterbringen, die ständig in meiner Nähe sein müssen, damit ich sie rund um die Uhr versorgen kann. Ich kaufe es dir ab.«
    Hinrik wusste nicht, wie viel ein Haus wert war, und er handelte nicht lange. Als der Arzt ihm eine Summe anbot, die ihm beträchtlich erschien, willigte er ein, und das Geschäft war perfekt. Der Arzt versprach, von den Mönchen ein Schreiben aufsetzen zu lassen, in dem der Kauf festgehalten und besiegelt wurde, und er bot Hinrik an, das Geld einige Jahre lang für ihn aufzubewahren und ihn dann auszuzahlen, wenn er es wirklich benötigte.
    »Solange du im Kloster und in der Burg bist, brauchst du ohnehin kein Geld. Ritter Christian muss für dich aufkommen«, erklärte der Arzt. »Später wirst du dankbar sein, wenn du die Mittel hast, dir ein Schwert und eine Rüstung zu kaufen.«
    Das sah Hinrik ein, und so war er mit allem einverstanden. Sie schüttelten sich die Hand, und Hinrik legte den restlichen Weg bis zur Burg allein zurück. Als er die Wehranlage beinahe erreicht hatte, trat Felix hinter einem Busch hervor.
    »Hör mir gut zu«, zischte er. »Wieso willst du in deinem Alter noch Ritter werden? Damit du ebenso wie dein Vater losziehen kannst, um Handelsreisende zu überfallen und wehrlose Leute zu ermorden?«
    »Du Holzkopf!«, schrie Hinrik empört. In der Gewissheit, dem Jüngeren überlegen zu sein, stürzte er sich auf ihn. »Mein Vater hat nie so etwas getan. Er ist ein Ritter, und er wird überall geachtet. Und genau das wirst du auch tun! Ihn achten!«
    Felix blieb erstaunlich ruhig. Erst im letzten Moment stutzte Hinrik, aber es war zu spät. Wie aus dem Nichts landete eine Faust an seinem Kinn. Es krachte in seinem Kopf, als hätte er sich den Kiefer gebrochen. Zugleich |62| schien sich die Welt in ein Sternenmeer zu verwandeln. Bevor er wusste, wie ihm geschah, versetzte Felix ihm eine Reihe von Schlägen, und plötzlich lag Hinrik im Gras, sah den leuchtend blauen Himmel über sich und hatte Mühe, seine Gedanken zu ordnen. Felix beugte sich über ihn und spuckte ihm ins Gesicht.
    »Du miese Ratte«, sagte er verächtlich. »Du willst Ritter werden? Dass ich nicht lache! Du hast vergessen, dass ich schon seit vier Jahren Knappe bin. Du solltest dich beim Bürgermeister melden. Man braucht immer jemanden, der die Scheiße von den Straßen fegt.« Und er trat Hinrik in die Seite, drehte sich um und ging davon.
    Hinrik wollte sich aufrichten, doch der Bauch und die Brust taten ihm so weh, dass er sich erschöpft zurücksinken ließ. Als er sich mit dem Handrücken über das Gesicht fuhr, merkte er, dass seine Nase blutete. Was für eine Niederlage hatte er erlitten. Ein Junge, der mindestens zwei Jahre jünger war als er, hatte ihn verprügelt. Ein Knabe, der so schmächtig war, dass ein Windstoß ihn hinwegfegen könnte.
    Er vernahm die hellen Stimmen einiger Mädchen und stand hastig auf. Sie sollten nicht sehen, wie er blutend auf dem Boden lag und sich vor Schmerzen krümmte. So schnell es ihm möglich war, schleppte er sich zum Tor, wo Felix neben den Wachen auf einer Mauer saß, ihm höhnisch grinsend entgegenblickte und mit den Wachen Witze riss.
    Hinrik kochte innerlich vor Zorn und Enttäuschung. Am liebsten hätte er sich erneut auf den Jungen gestürzt, um sich zu rächen. Er tat es nicht, weil er wusste, dass er der Leidtragende gewesen wäre. Und das schmerzte ihn am meisten – eine Demütigung hinnehmen zu müssen, ohne sich wehren zu können. Felix war nicht der einzige Knappe. Die anderen würden bald erfahren, wie kläglich |63| er bei seinem ersten Kampf versagt hatte. Er rechnete damit, dass sie ihn verspotten und hänseln würden. Wenn er im Kloster und in der Burg bestehen wollte, musste er sich Achtung und Respekt verschaffen. Diese Scharte würde er – musste er – irgendwann auswetzen. Auf keinen Fall würde er hinnehmen, was geschehen war, ohne zurückzuschlagen. Im Augenblick mochte Felix sich sicher fühlen, aber in nicht allzu ferner Zeit würde er seine Fäuste spüren, und danach würde er mit blutender

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