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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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nähern.
    »Ich habe deinen Arsch gerettet!«, hatte Christian ihn angebrüllt. Und er, Hinrik, hatte geglaubt, der Ritter hätte in der ihm eigenen derben Art darauf hinweisen wollen, dass er ihn bei sich aufgenommen hatte, um ihn vor Armut und Elend zu bewahren, nachdem er seine Eltern und seine Geschwister verloren hatte. Doch Christian hatte den Satz wortwörtlich gemeint!
    Hinrik war ihm dankbar dafür. Bei dem Gedanken, ihm könnte so etwas widerfahren wie Felix, wurde ihm schlecht.
    Er lief in den Wald hinein, immer schneller, um seine innere Anspannung loszuwerden. Ausgepumpt erreichte er jene Stelle, an der er den Mönch und Felix beobachtet hatte. Die beiden waren verschwunden, aber Greetjes Korb stand noch da. Er war voller Pilze. Er nahm ihn auf |79| und rannte, ohne eine Pause einzulegen, in die Stadt zurück. Die Flanken schmerzten ihn, und er rang nach Luft.
    Ohne sich bemerkbar zu machen, stellte er den Korb vor Greetjes Haustür ab und kehrte auf die Burg zurück.
    Am nächsten Tag war Christian wieder da. Er sprach kein Wort mit Hinrik, sondern forderte ihn mit einer Geste zum Üben auf. Hinrik folgte ihm auf den Hof hinaus, wo ihm der Ritter ein leichtes Schwert mit stumpfer Spitze und ebensolcher Schneide gab.
    Zu Anfang war der Junge ungeschickt und steckte einen Treffer nach dem anderen ein. Doch Christian war geduldig mit ihm. Er brach sein Schweigen und erklärte ihm die einzelnen Kampfsituationen, die Angriffsvarianten und die nötigen Paraden. Als Hinrik merkte, dass es ihm nicht nur darum ging, ihn zu verprügeln, focht er voller Eifer und nahm jeden Hinweis begierig auf. Immer wieder übten sie die verschiedenen Angriffe und Abwehrmaßnahmen, bis ihm schließlich die Arme erlahmten, so dass er kaum mehr in der Lage war, das Schwert zu halten.
    »Gut«, lobte der Ritter. »Du hast Talent. Wirklich erstaunlich, wie schnell du lernst.«
    In den folgenden Wochen setzten sie die Übungen fort. Christian zeigte ihm alle denkbaren Tricks, die es im Schwertkampf gab. Eines Tages nahm er ihn mit nach Rendsburg, wo ein berühmter Waffenschmied die besten Schwerter herstellte, die es im Norden gab. Sie blieben eine ganze Woche dort, und Hinrik verfolgte Tag für Tag, wie der Schmied arbeitete und wie allmählich aus dem Eisen und geheimen Beimengungen ein Schwert entstand.
    »Wenn du zum Ritter geschlagen wirst, schenke ich dir so ein Schwert«, versprach ihm Christian. »Es ist härter und widerstandsfähiger als die meisten anderen. Schwerter, die weniger kunstvoll geschmiedet worden sind, werden zerbrechen.«
    |80| Und dann begann eine Zeit, in der Christian auf jeglichen Alkohol und auf nächtliche Abenteuer mit Frauen verzichtete und sich ganz und gar Hinriks Ausbildung widmete. Wenn er sich Hinriks nicht annahm, dann war es der kurzsichtige Mönch Franz, der ihn unterrichtete. Nie zuvor hatte Hinrik so hart und konzentriert gearbeitet. Es war ihm recht, und er beklagte sich nicht. Im Gegenteil. Je mehr er lernte, desto größer wurden sein Eifer und seine Wissbegierde.
    Zugleich wurde seine Muskulatur kraftvoller und geschmeidiger. Längst wäre er in der Lage gewesen, Felix nach Strich und Faden zu verprügeln. Doch er verzichtete auf seine Rache, um ihn nicht noch mehr zu demütigen. Er hätte ihm gern geholfen, wartete aber vergeblich auf eine Möglichkeit. Als er Christian gegenüber einmal eine vorsichtige Bemerkung über Felix und Bruder Albrecht machte, fuhr ihm der Ritter verärgert über den Mund und verbot ihm jedes weitere Wort.
    »Das geht dich nichts an«, stellte er nachdrücklich fest. »Ich will nichts mehr davon hören.«
    Bruder Albrecht war ein einfacher Mönch, aber er verfügte offenbar über Macht und Einfluss. Christian schien ihn zu fürchten und zu respektieren. Hinrik begriff, dass es besser war, sich nicht mit ihm anzulegen. Ihm allzu nah zu kommen, konnte gefährlich werden.

|81| Der Tod der Ritter
    Ein Bussard schwebte am Himmel, als Christian sich in vollem Galopp und mit einem wilden Schrei näherte, die Lanze nach vorn gestreckt. Der Knappe rannte los. Er zerrte eine Strohpuppe an einem etwa fünf Fuß langen Holzstab neben sich her, die einen flüchtenden Bauern darstellen sollte, und musste versuchen, sie vor dem drohenden Spieß zu retten.
    Die Hufe des schweren Rosses donnerten über den Boden, so dass Hinrik die Erschütterung spürte. Er wollte es dem Ritter so schwer wie möglich machen und die Flucht des »Bauern« echt wirken lassen. Christian war

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