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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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schnell, mit hoher Geschwindigkeit raste er heran. Ein Schrei gellte durch die Luft, als er zustieß und die Lanze in die Strohpuppe stach. Obwohl der Knappe auf diesen Schlag vorbereitet war, warf ihn die Wucht des Treffers zu Boden.
    Christian belohnte sich mit Triumphgeheul und riss im Vorbeireiten die Lanze aus der Strohpuppe. Einem echten Bauern hätte er dabei unweigerlich tödliche Wunden beigebracht.
    Hinrik richtete sich langsam auf. In solchen Situationen bewunderte er den Ritter, dessen Kampfkraft unüberwindlich zu sein schien. Er wartete darauf, dass Christian sich auf eine weitere Attacke vorbereitete, doch der Ritter blieb mit seinem Wallach auf einem Hügel stehen, wo er sich scharf gegen das Licht der noch tief stehenden Morgensonne abhob. Seine metallene Rüstung schien an den Schultern und den Armen zu brennen.
    |82| Verwundert wartete Hinrik. Er wollte Christian gerade fragen, weshalb es nicht weiterging, als er dumpfen Hufschlag vernahm und einen prachtvoll gekleideten Reiter über den Hügel herankommen sah. Im Gegenlicht konnte er zunächst nicht erkennen, wer es war, aber er ahnte, dass es hochrangiger Besuch war. Darauf ließen allein die Kleidung und das aufwändig mit Silber beschlagene Lederzeug des Pferdes schließen, auf dem der Ankömmling saß. Es war ein kleiner Mann, der sich leicht nach vorn beugte, als wäre er zu schwach, um sich aufzurichten. Seine Hände sahen nicht so aus, als könnten sie zupacken. Erst als der Knappe einige Schritte näher trat, erkannte er, dass es der Graf war. Die Höflichkeit gebot es, sich möglichst unauffällig zu verhalten, und so blieb er stehen. Er war so weit von den beiden Männern entfernt, dass er kaum etwas verstand. Aber der Ostwind trug ihm einige Satzfetzen zu.
    Der Graf hatte eine schrille, unangenehm dünne Stimme, strahlte dabei jedoch eine Autorität aus, der sich selbst Ritter Christian unterwarf. Hinrik kannte den Ritter als derben Mann, der sich gegen jedermann durchzusetzen wusste und auf niemanden Rücksicht nahm. Jetzt erlebte er ihn völlig verwandelt als einen Mann, der nicht gerade unterwürfig war, jedoch durch seine Haltung anzeigte, dass er zu absolutem Gehorsam bereit war.
    Hinrik spitzte neugierig die Ohren und hörte, wie der Graf sich über eine Horde von Räubern beschwerte, die den gesamten Landstrich unsicher machte, mehrere Höfe überfallen und ausgeplündert hatte und in den vergangenen Wochen die wichtigsten Handelswege nach Hamburg und zu den Städten und Siedlungen im Norden und im Westen Schleswig-Holsteins praktisch unpassierbar gemacht hatte.
    Eine Reihe von fahrenden Händlern war getötet worden |83| , und sogar ein Transport des Bistums von Eutin war den Räubern zum Opfer gefallen.
    Die beiden Männer ritten zur Burg zurück, und Hinrik konnte nichts mehr verstehen. Er folgte ihnen und schloss allmählich zu ihnen auf. Kurz vor der Burg zügelten sie ihre Pferde, um sich voneinander zu verabschieden, warteten dann jedoch noch einen Augenblick, denn Bruder Albrecht kam über einen schmalen Pfad heran. Sie begrüßten ihn und wechselten einige Worte mit ihm. Hinrik war nur wenige Schritte von ihnen entfernt. Respektvoll, wie es von ihm erwartet wurde, blieb er stehen, wo er war. Die Männer sprachen leise miteinander, und die Art, in der sie es taten, ließ erkennen, dass sie miteinander vertraut waren.
    Als der Mönch kurz zu ihm herüberblickte, fuhr es Hinrik über den Rücken, als würde er von einer eisigen Hand berührt. Die Kehle wurde ihm eng, und er hatte Mühe zu atmen. Bruder Albrecht und der Graf sahen einander in gewisser Weise ähnlich. Sie hatten die gleichen Augen mit den leicht hängenden Schlupflidern. Auch klang die Stimme des Mönchs ähnlich schrill wie die des Grafen. Ansonsten bestand keine Ähnlichkeit. Albrecht hatte weder das spitze Kinn noch die buschigen Augenbrauen des mächtigsten Mannes weit und breit. Soweit Hinrik wusste, stammten beide aus dem Westfälischen. Bisher hatte er dieser Tatsache keine Bedeutung beigemessen. Nun aber erhielt diese Gemeinsamkeit mehr Gewicht. Vor Jahren waren sie zusammen nach Norddeutschland gekommen.
    Plötzlich war sich Hinrik sicher: Mönch Albrecht und der Graf waren Brüder. Damit erklärte sich, weshalb der Kinderschänder so mächtig und einflussreich war. Bei allen seinen Entscheidungen wusste er Graf Pflupfennig hinter sich.
    |84| Er nahm sich vor, Albrecht von nun an noch mehr aus dem Weg zu gehen und sich nicht mehr über ihn zu

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